Anders als die CDU hat die bayerische Regierungspartei CSU bei den Europawahlen zugelegt – und dies nach dem historischen Absturz bei der Landtagswahl im vorigen Herbst. Der Erfolg hat mehrere Gründe. Der Spitzenmann ist einer von ihnen.

München - Dass die CSU bei der Europawahl weitaus besser abgeschnitten hat als die große Schwester CDU, dass sie sogar Zugewinne verzeichnet, das hat mehrere Gründe. Der bedeutendste heißt Manfred Weber. Die im Wahlkampf überall propagierte Chance, zum ersten Mal in der Geschichte einen Landsmann an der Spitze der EU zu sehen – nachdem es doch mit dem Bundeskanzleramt schon mehrmals krachend schief gegangen ist –, hat die Bayern mit Stolz erfüllt und verstärkt an die Urnen gelockt.

 

Zweitens hat Weber einen sehr geerdeten Wahlkampf betrieben. Auch seine größten Gegner konnten ihn niemals als abgehobenen, arroganten Eurokraten darstellen. Weber blieb Niederbayer, und er war im Wahlkampf gerade „dahoam“ so präsent wie nie zuvor, was auch den Europa-Gedanken bei der grundsätzlich und seit Jahren auf Europa-Skepsis gebürsteten Parteiklientel erstmals unzweideutig ins Positive gewendet hat. Er hat die von Parteichef Markus Söder oft reklamierte „Lufthoheit über den Stammtischen“ für die CSU wiedererrungen – in einer sympathischen, leisen, unpolemischen Weise.

Perfekte Aufgabenteilung von Söder und Weber

Zum anderen hat sich die gesamte CSU unter Markus Söder und in perfekter Aufgabenteilung mit Manfred Weber gewandelt. Man sollte die Zugewinne vom Sonntag deshalb nicht am letzten Europa-Resultat von 2014 messen (dann wäre es ein Plus von 0,2 Punkten), sondern am historischen Einbruch bei der Landtagswahl im Oktober 2018, als die CSU mit 10,5 Punkten Verlust auf ihr Allzeittief abgestürzt ist. Sieben Monate später steht Bayerns Dauerregierungspartei mit 40,2 Prozent der Wählerstimmen wieder um 4,5 Punkte besser da. Psychologisch macht sich die „40“ vor dem Komma sowieso viel besser.

Passiert ist unter Markus Söder schon einiges. Rechtzeitig zur Landtagswahl hat er den Annäherungskurs an die AfD aufgegeben und einen weiteren Absturz gebremst. Die klare Abgrenzung der CSU vom rechten Rand sowie die klägliche Vorstellung, welche die AfD seit einem halben Jahr im Landtag abliefert, hat auch diesmal ein weiteres Abdriften der Wählerschaft nach rechts verhindert. Söders größte politische Leistung aber war seine Reaktion auf das erfolgreiche Artenschutz-Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ Gegen anhaltende Widerstände hauptsächlich in der regierenden CSU-Fraktion hat es Söder durchgesetzt, dass der Freistaat nicht nur die Forderungen der Naturschützer und der Grünen übernimmt, sondern sogar mit weiteren Gesetzesbestimmungen ausweitet.

Bayerns Schwarze sind „grüner“ geworden

Bayerns Schwarze sind also, wenn man so will, sichtlich „grüner“ geworden. Und dies nicht in einer Regierungskoalition mit den Grünen – eine solche scheute man ja wie der Teufel das Weihwasser –, sondern weil die Stimmung unter den Bürgern und der Druck der eigenen Parteibasis eine Wende dieser Art unausweichlich gemacht hat. Söder hat dies gesehen; er hat dann auch nicht in klassischem CSU-Dominanz-Denken machtpolitisch irgendeine Position durchsetzen wollen, sondern zuerst einmal einen Runden Tisch einberufen, der sehr zur Befriedung in der Gesellschaft, vor allem zwischen Bauern und Umweltschutz, beigetragen hat. Gleichzeitig ist Söder der bemerkenswerte Spagat gelungen, den immer zahlreicheren SUV-Besitzern in den reichen Großstädten zu versichern, sie müssten keine Fahrverbote gewärtigen. Man kann in Bayern also guten Gewissens nun beides: mehr Abgase auspusten und sich zugleich lifestyle-modisch grün fühlen. Das alles unter der hochwohlweisen Führung einer gelenkig gewordenen CSU.

Die Wähler haben das am Sonntag honoriert. Die CSU, so sieht es aus, ist nach der so unselig abgeschlossenen Seehofer-Dekade wieder auf Kurs. Und dass auch die Grünen in Bayern noch weiter zugelegt haben, um 1,5 Punkte gemessen am Triumph bei der Landtagswahl, das verhindert auf lange Sicht einen Rückfall.