Er macht sich rar und gibt nur drei Konzerte in Deutschland: Am Samstag hat Eric Clapton in der Mannheimer SAP-Arena den Bluesrock gefeiert, laut und heftig, bevor er im akustischen Teil seine ganze Meisterschaft offenbarte.

Mannheim - Auch Riesen haben klein angefangen. Als die Softwarefirma SAP noch ein Zwerg war, stand an den Hauswänden von London schon der Satz „Clapton is God“ geschrieben. Seit den frühen siebziger Jahren haben die Computerleute aus Walldorf aber mächtig aufgeholt, weshalb sie heute im benachbarten Mannheim eine Arena sponsern können, die 10 000 Besucher fasst – eine mächtige Halle, die der Gitarrengott am Samstagabend bis auf den letzten Platz füllt, denn zu seiner Huldigung reisen die Jünger selbst aus weiter Ferne an. Das ausverkaufte Konzert in der SAP-Arena ist, neben Berlin und Dresden, eines von nur drei in Deutschland, die Eric Clapton gibt. Er macht sich rar, entsprechend imposant sind die Ticketpreise. Nur die Salzburger Festspiele sind teurer, aber bei Riesen ist das wohl unvermeidlich.

 

Die Lichter gehen aus und die Fotohandys in die Höhe. Manche halten sich gar das Opernglas vor Augen, um die Rocklegende, die seit mehr als fünfzig Jahren auf der Bühne steht, näher an sich ran zu holen. Aber auch ihrem eigenen Leben rücken sie mit diesem Konzertbesuch näher, ihrem eigenen Start-Up vor drei, vier Jahrzehnten, als Clapton sie beim Erwachsenwerden begleitete. Sein lässiges Gitarrenspiel war da, wenn man Partys feierte oder Trost suchte, es war da, wenn man sich in Liebeskummer und Weltschmerz suhlte oder gar ernsthafte Probleme hatte. Als Zugabe, nach zwei grundehrlich durchgearbeiteten Stunden, spielt Clapton mit seiner exzellenten Begleitband „Cocaine“, den Drogensong von J. J. Cale, aber auch der 1945 geborene Rockheroe weiß, wovon er redet. Nach massivem Konsum von Rauschmitteln aller Art stand der Gitarrengott am Abgrund – und in Mannheim klingt „Cocaine“ nun so, als wäre der Song durch ein Stahlbad gegangen: härter, kantiger, schärfer, schneller, lauter, kompakter.

Songs in der Hängematte

Das Raue und Rohe gilt für einen Großteil des Konzerts. Bevor Clapton mit der akustischen Gitarre zu Slowhand wird, seinem Spitznamen noch aus Yardbirds-Zeiten, langt er kräftig zu. Laut und donnernd kehrt er zu seinen musikalischen Wurzeln zurück. „Pretending“, „Key to the Highway“ und der Willie-Dixon-Klassiker „Hoochie Coochie Man“: Nummern für einen intimen Clubabend, aber in der Arena bläst er sie mit Gitarre, Bass, Schlagzeug, Orgel und zwei Backgroundsängerinnen zum Breitwandformat auf. Was als Motto über dem letzten Stones-Album „Blue & „Lonesome“ hätte stehen können, an dem Clapton mitgewirkt hat, prangt heimlich auch über dieser Feier der erdigen Rhythmen: Make Bluesrock great again! Seinen Mitstreitern gönnt der vierundsiebzigjährige Herr mit Adelstitel dabei mehr Soli als sich selbst – und erst, wenn er seine Bescheidenheit ablegt und die elektrische gegen die akustische Gitarre eintauscht, offenbart er seine ganze Meisterschaft. Jetzt schaukeln seine Lieder entspannt wie in einer Hängematte unter Palmen.

Mit den Fingern auf dem Griffbrett, von zwei Großleinwänden bis in die hintersten Winkel der Halle übertragen, lässt Slowhand die Töne einzeln perlen: traurig und melancholisch, schmerz- und sehnsuchtsvoll wie damals auf „Unplugged“, dem mit Grammys überhäuften Album von 1992. In „Nobody knows you when you‘re down and out“ gibt er mit sanfter Stimme der Klage, in „Layla“ dem Flehen die Würde zurück: Die schon 1970 für Derek and the Dominos geschriebene Hymne einer unerfüllten Liebe schreitet in einem majestätischen Schleppgang voran, jeder Gitarrenriff sorgt mit seiner Prägnanz für Gänsehaut. „You’ve got me on my knees“ heißt es in dem Song, worin die Ehefrau von George Harrison die Hauptrolle spielt – und weil auch Clapton seine Zuhörer mit beseelter Lässigkeit in die Knie zwingt, ist es ein Geschenk, dass er die von allen begehrte „Layla“ vorm Finale nochmals unter Strom setzt, als heftige Rocknummer inklusive laut träumendem Piano-Nachspiel.

„Tears in Heaven“ im sachten Reggae-Rhythmus

Aber der Gitarrenriese, von dem manche glauben, er sei so groß wie Jimi Hendrix, irritiert die Fans auch. Seine vielleicht bekanntesten Hits hat er musikalisch umgemodelt. „I shot the Sheriff“ verliert in großer Besetzung die schlanke Leichtigkeit, die er der Nummer einst gegeben hat – und „Tears in Heaven“, das Lied, das seinem mit vier Jahren aus einem Hochhausfenster gestürzten Sohn gewidmet ist, wiegt sich gar im sachten Reggae-Rhythmus. Die Tragödie als Einladung zum Mitschunkeln: ein Missverständnis. Und einen anderen zeitlosen Welthit, „Wonderful tonight“, lässt Sir Eric in Mannheim wie auf den Tourstationen zuvor gleich ganz aus. Aber Schwamm drüber: Wer will nach dieser Reise in die Jugend, als Gitarren noch den allertiefsten Schmerz adelten, kleinlich sein? Ja, der Abend war wunderbar, auch ohne „Wonderful tonight“.