Eine Bürgerin schlägt vor, einen Kreisverkehr im Stuttgarter Westen nach dem schwarzen Aufklärer und Philosophen Anton Wilhelm Amo zu benennen.

S-West - Monika Firla hat einen Brief an Oberbürgermeister Fritz Kuhn geschrieben. Sie hat eine Idee, wie ein Kreisverkehr im Stuttgarter Westen Geschichte schreiben könnte. Firla schlägt vor, den Platz zwischen Silberburg-, Gutenberg- und Herzogstraße nach dem Philosophen Anton Wilhelm Amo zu benennen. Amo war im 18. Jahrhundert nicht nur ein bedeutender Denker und Rechtswissenschaftler. Er wurde 1703 im heutigen Ghana in Westafrika geboren und war schwarz.

 

Firla betreibt mit ihrem Mann Hermann Forkl eine sich mit Afrikastudien befassende Geschichtswerkstatt namens Afritüde. Ihr Mann war Referent für Afrika beim Lindenmuseum. „Ich habe in Philosophie promoviert und mich immer mit der Geschichte schwarzer Menschen befasst“, sagt die 67-Jährige.

Benennung wäre Premiere

Ein Anton-Wilhelm-Amo-Platz in Stuttgart wäre eine bundesweite Neuheit, betonte Firla in ihrem Schreiben an Kuhn. Dabei erscheint an der Biografie des Philosophen einiges denkwürdig: Amo wurde als Kind versklavt und nach Amsterdam verschleppt. Er wurde dort an den Herzog von Braunschweig, Anton Ulrich, verschenkt. Dieser vererbte Amo wie ein Schmuckstück an seinen Sohn August. Herzog Anton Ulrich von Braunschweig hatte etwas anderes mit dem Jungen vor, als ihn als exotisches Prestigeobjekt zu missbrauchen. Amo wurde auf den Namen Anton Wilhelm evangelisch getauft. Der für sein Mäzenatentum bekannte Herzog schickte Amo auf eine Ritterakademie und die Universität. Welche Motive den Herrscher antrieben, können Historiker nicht erklären. Amo nahm den Namen seines Mentors an.

Motive sind unklar

Vielleicht vollzog der Herzog eine Art soziales Experiment an dem afrikanischen Jungen. Der irische Dramatiker George Bernhard Shaw fiktionalisierte einen vergleichbaren Versuch in seinem Stück „Pygmalion“. Der Akademiker Higgins verwandelte darin das Cockney sprechende Blumenmädchen Eliza Doolittle mit Sprachunterricht in eine vermeintliche Herzogin. Er betrachtete sie dabei aber stets als seine Schöpfung.

Amo erhielt in Halle die Magisterwürde der Philosophie und lehrte an der dortigen Universität wie auch an der Universität von Wittenberg. Er machte in der Disputation „De iure maurorum“ 1729 auf logische Brüche der Aufklärung aufmerksam. Diese beziehe sich zwar auf die römische Antike, falle aber in der Behandlung der Schwarzen hinter die im Römischen Reich geltenden Normen zurück, stellt er fest. Amos kritisierte die Praxis der Aufklärung als überzeugter Verfechter dieser Philosophie. 1734 setzte sich Amo in seiner Dissertation „De humanae mentis apatheia“ mit dem Rationalismus René Descartes auseinander.

Das Sein ist mit dem Leib verknüpft

Anders als der Franzose verknüpfte der Deutsche das Sein nicht allein mit dem Denken. Der Leib fungiere als Schnittstelle zur Welt, argumentierte er. Gleichzeitig hielt er die Seele für unangreifbar, selbst wenn der Leib schmerzt. Schwarze Aktivisten sehen in der von Amo angenommenen Leib-Seele-Trennung einen Hinweis auf seine eigenen Leiden als Nichtweißer umgeben von Weißen. Seine Seele postulierte Amo als unberührt von dem, was ihn schmerzte, glauben sie.

Über das Privatleben des Denkers ist wenig bekannt. Der Tod seines letzten Mentors, Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel, soll Amo in Not gestürzt haben. Die Liebe zu einer Studentin löste eine Spottkampagne gegen ihn aus. Für das Jahr 1747 ist seine Rückkehr an seinen Geburtsort in Westafrika belegt. Dort verstarb er seinem Grabstein zufolge im Jahr 1784.

ISD lobt Vorschlag

Maïmouna Obot von derInitiative Schwarzer Menschen (ISD)lobt die Idee, den Kreisverkehr im Stuttgarter Westen nach Anton Wilhelm Amo zu benennen. Er liege zentral in einem bevölkerungsreichen Bezirk. „Auch pragmatisch gedacht ginge das wohl schneller als eine Straßenumbenennung“, sagt sie.

Sie bezeichnet den Philosophen als wichtige Figur für die schwarze Community in Deutschland. Sein Leben im 18. Jahrhundert spiegele auch heutige Erfahrungen von Menschen dunkler Hautfarbe wider, etwa Resignation angesichts von eingrenzenden gläsernen Wänden. „Im heutigen Ghana geboren und dort gestorben. Die Lebensdaten verraten eigentlich alles“, sagt Obot.

Schwarze Deutsche müssten auf die Geschichte des Philosophen nicht aufmerksam gemacht werden, sagt Obot. Eher sieht sie einen Bedarf bei der weißen Mehrheitsbevölkerung. Der Kunstverein Braunschweig erinnert derzeit in einer Ausstellung an ihn. Tatsächlich steckt die Erinnerungsarbeit im Fall Amo noch in den Kinderschuhen. Obot ist zuversichtlich, dass sich das ändert. „Die Zeit dafür ist gekommen.“