Irmgard Bosch ist 95-jährig verstorben. Das Vermächtnis ihres berühmten Schwiegervaters und auch ihres Vaters war Teil ihres Lebens. Daneben setzte sie wichtige eigene Akzente.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Sie trug einen großen Namen – und einen ebenfalls bekannten Mädchennamen: Irmgard Bosch, geborene von Graevenitz. Eine gebildete Frau, der es zeitlebens ein Anliegen war, Bildung weiterzugeben. Es zog sich wie ein roter Faden durch ihr Leben, das am 7. April, wenige Tage nach ihrem 95. Geburtstag, zu Ende ging.

 

Bildung war für sie eine Lebensentscheidung. Irmgard von Graevenitz, Tochter des gleichnamigen Bildhauers, dessen Atelier unweit von Schloss Solitude stand, studierte Schulmusik und Germanistik. Später unterrichtete sie an Gymnasien in Freiburg und Stuttgart. Schon als 17-Jährige hatte sie vor Schulklassen gestanden. In den Kriegsjahren fehlten Lehrer, so half die begabte junge Frau 1944/45 in der Gerlinger Volksschule aus. Ehemaligen Schülern ist sie in bester Erinnerung; bis vor etwa zehn Jahren kam Irmgard Bosch immer noch zu ihren Klassentreffen.

Eine Idealbesetzung, wenn’s um Bildung ging

Eine zweite große Lebensentscheidung war die Heirat mit Robert Bosch, dem Sohn des berühmten Robert Bosch des Älteren. Um dessen gemeinnütziges Vermächtnis kümmerte sich Irmgard Bosch fortan intensiv – zumal dieses einen starken Bildungsaspekt hat. Das eine passte zum anderen und verschmolz zu einer großen Aufgabe. „Die Förderarbeit im Bildungsbereich und in der Wohlfahrtspflege hat sie mit vielen wertvollen Impulsen bereichert“, heißt es in einer Würdigung der Robert-Bosch-Stiftung, die sie 20 Jahre lang, von 1977 bis 1997, als Kuratorin begleitete.

Seit 1969 war Irmgard Bosch zudem für den Deutschen Kinderschutzbund aktiv und engagierte sich dort beim Aufbau einer sozialpädagogischen Einrichtung zur Unterstützung sozialer Randgruppen in Stuttgart. Dabei arbeitete sie eng mit dem Jugendamt der Stadt zusammen. Impulse setzte sie außerdem in der Stiftung für Bildung und Behindertenförderung, der heutigen Heidehof-Stiftung, und als Schirmherrin des Bildungszentrums des Robert-Bosch-Krankenhauses. Eine Idealbesetzung – wenn’s um Bildung ging, war Irmgard Bosch persönlich oder dem Geiste nach vertreten.

Verwandt mit den von Weizsäckers

Auch mit dem Vermächtnis ihres Vaters setzte sie sich auseinander, dem Bildhauer Fritz von Graevenitz, der seit den 1920er Jahren als freischaffender Künstler auf der Solitude arbeitete. Ihre Mutter Jutta gründete 1971 an selber Stelle das Fritz-von-Graevenitz-Museum.

Graevenitz’ Arbeiten sind auch im öffentlichen Raum präsent – etwa auf dem Gerlinger Schlossberg, wo in unmittelbarer Nähe seines von Irmgard Bosch bewohnten Hauses sein bronzener Löwe thront, der die Menschen zur Vernunft mahnen soll. Bekannt auch sein Engel in der Stuttgarter Stiftskirche über der Kanzel. Dass es kein leichtes Vermächtnis war, zeigte sich angesichts der Diskussion über die Nähe des Künstlers zum Nationalsozialismus. Obwohl selbst kein NSDAP-Mitglied, war von Graevenitz von den Nationalsozialisten wohlgelitten; mehrfach nahm er bei deren Kunstausstellungen im Münchner Haus der Kunst teil. 1959 starb er in Gerlingen. Seine Frau überlebte ihn um viele Jahre. An ihrer Beerdigung 1987 in Gerlingen nahmen auch die berühmten Neffen, Richard und Carl Friedrich von Weizsäcker teil, die aus der Ehe von Graevenitz’ Schwester Marianne und Ernst von Weizsäcker stammten. Auch das große Namen. Ein Aufhebens machte Irmgard Bosch nie darum. Den Gerlingern, wie dem früheren Bürgermeister Albrecht Sellner, bleibt die sechsfache Mutter als vornehm-zurückhaltende Frau in Erinnerung, „bei der man die innere Freundlichkeit spürte“ – und als gute Lehrerin.

An diesem Donnerstag findet in der Schlosskapelle Solitude die Trauerfeier statt.