Unzählige Menschen, darunter auch viele Kinder, sind in den vergangenen Monaten auf der Flucht nach Europa zu Tode gekommen. Zwei Waiblingerinnen möchten, dass sie nicht vergessen werden, und haben daher auf der Waiblinger Erleninsel eine Erinnerungs-Aktion mit Windrädern gestartet.

Waiblingen - Armans Windrad ist kunterbunt. Es schillert in allen Farben des Regenbogens. Das von Esther ist mit rosa Herzen verziert und dreht sich schnell dank der steifen Brise, die an diesem Freitagnachmittag entlang der Rems weht. Arman ist nur zwei Jahre alt geworden, Esther gerade einmal neun Monate. Beide Kinder sind auf der Flucht gestorben. Ein Schicksal, das sie mit unzähligen Menschen teilen, die auf dem Weg nach Europa ertrunken, verhungert, erfroren sind.

 

Silke Goll und Andrea Ertz wollen, dass Arman, Esther und die vielen anderen Kinder nicht vergessen werden. Die beiden Waiblingerinnen erregen mit „Guerilla-Aktionen“ ihrer Initiative Waiblinger Ideentausch immer wieder Aufmerksamkeit in der Stadt – im Frühjahr beispielsweise durch einen mit Gedichten bestückten Baum im Stadtpark.

Schwierige Suche nach Namen

Letzteren haben die Frauen auch als Ort für ihre aktuelle Aktion ausgewählt: An der Rems, die sich entlang der großen Erleninsel schlängelt, hat das Duo am Freitag 36 steinerne Tafeln aufgestellt und über jeder ein buntes Windrad befestigt. Auf die Granitplatten haben Andrea Ertz und Silke Goll die Namen von 36 Kindern geschrieben, die auf der Flucht aus ihrem Heimatland gestorben sind. „Es war nicht einfach, an Namen von Opfern zu kommen“, sagt Andrea Ertz, „im Internet gibt es aber eine Liste und aus der haben wir speziell die Kinder herausgegriffen.“ Denn diese, ergänzt Silke Goll, „können weder etwas für die Probleme in ihrem Heimatland, noch sind sie wohl freiwillig geflohen“.

Der Wunsch, an zu Tode gekommene Flüchtlingskinder zu erinnern, treibt Silke Goll und Andrea Ertz seit einigen Monaten um. Ins Grübeln sind sie durch Bilder und Berichte in den Medien, aber auch eigene Erlebnisse gekommen. „Ich war im Urlaub auf Sizilien. In einer traumhaften Bucht habe ich ein Denkmal entdeckt, das an 20 junge Männer erinnert, die dort tot angespült wurden. Da war es vorbei mit der Urlaubsstimmung“, erzählt Andrea Ertz.

Im Mai haben die Frauen begonnen, ihre Idee in die Tat umzusetzen. „Manchmal muss man ein bisschen spinnen“, sagt Andrea Ertz und fügt hinzu: „Uns ist der Interaktionsgedanke wichtig, wir wollten nicht einfach etwas kaufen, sondern Leute mit einbeziehen.“ So haben die Frauen Geschäftsleute angesprochen und quasi offene Türen eingerannt: ein örtlicher Baustoffhändler hat zum Beispiel die Granitplatten gestiftet, auf denen die Namen und das Alter der Kinder notiert sind, ein Gartenmarkt spendierte die Windrädchen, ein anderer Laden die Schreibstifte. „Die meisten, die wir angesprochen haben, fanden die Idee toll und wollten kein Geld haben“, erzählt Silke Goll.

Jeder soll selbst ein Windrad befestigen

„Eine wunderbare Idee“, sagt auch die blonde Frau, die über die Erleninsel spaziert, während Andrea Ertz und Silke Goll damit beschäftigt sind, die vielen Windrädchen mit Kabelbindern am Holzzaun entlang der Rems zu befestigen. „Danke, dass sie das für uns alle tun“, bedankt sich eine andere Passantin. Immer wieder bleiben Leute stehen, fragen nach, kommen ins Gespräch – und tun somit genau das, was die beiden Frauen sich von der Aktion erhofft haben. „Es ist auch wichtig, nicht zu vergessen, dass die Flüchtlinge, die hier sind, viel verloren und zurückgelassen haben und vielleicht auch Mütter oder Väter von Kindern sind, die auf der Flucht gestorben sind“, sagt Silke Goll, die trotz eines gebrochenen Fußknöchels gekommen ist.

„Wie lange die Tafeln und die Räder stehen bleiben, müssen wir mal abwarten“, sagt Andrea Ertz. Sie und Silke Goll hoffen, dass möglichst viele Menschen ihrem Beispiel folgen, auf der Erleninsel vorbei kommen und dort ebenfalls ein Windrad befestigen – für die vielen namenlosen Opfer, die es außer Esther und Arman noch gibt.