Kein Mitglied der Bundesregierung stellt sich in der Affäre um den Landesverratsvorwurf gegen Netzpolitik.org vor Harald Range, den obersten Ermittler der Republik. Beendet der 67-jährige Jurist seine Karriere als Bauernopfer?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Auch wenn der Wetterbericht für Karlsruhe eine Niederschlagswahrscheinlichkeit von null Prozent vorhersagt: Die Bundesregierung hat ihren dort ansässigen Generalbundesanwalt Harald Range voll im Regen stehen lassen. Weder die Kanzlerin noch der sozialdemokratische Justizminister Heiko Maas, Ranges Dienstvorgesetzter, ließen am Montag ein Sterbenswörtchen verlauten, das so zu deuten wäre, als legten sie noch großen Wert darauf, dass er weiter im Amt bleibt.

 

Angela Merkel ließ ausrichten, dass sie eine „sehr sensible Abwägung“ erwarte, wenn bei Ermittlungen die Pressefreiheit tangiert sei. Dieser Vorgabe hat der oberste Strafverfolger des Bundes im aktuellen Fall von angeblichem Landesverrat womöglich nicht genügt. Zu seinen weiteren Perspektiven an der Spitze der Generalbundesanwaltschaft sagte eine Sprecherin Merkels lediglich: Für die Regierungschefin stünden „erst einmal“ sachliche Fragen im Vordergrund. Personelle Konsequenzen werden damit dezidiert nicht ausgeschlossen.

Ein liberales Überbleibsel

Harald Range steht stark unter Druck. Foto: dpa
Der 67-jährige Jurist läuft Gefahr, seine Karriere als Bauernopfer zu beschließen. Dies wird auch durch den Umstand begünstigt, dass er zu den Hinterlassenschaften der FDP zählt. Die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte ihn Ende 2011 nach Karlsruhe befördert. Für sie war er damals nur zweite Wahl. Sie konnte ihren bevorzugten Kandidaten, den Stuttgarter Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl, aber nicht durchsetzen. Range war bis dahin Generalstaatsanwalt in Celle – ein Mann von tadellosem Ruf.

Das FDP-Parteibuch hat seinen Wert verloren als Schutzbrief für Ranges Job. Wenn er in den vorzeitigen Ruhestand befördert würde, um Druck aus der Affäre zu nehmen, würde das die Arithmetik der aktuellen Koalition nicht beeinträchtigen. Dabei hat der Generalbundesanwalt diesen heiklen Fall keineswegs mit unziemlichem Eifer verfolgt. Er zog anfangs sogar in Zweifel, ob er überhaupt zuständig sei, ließ die brisante Akte schließlich in der Schublade ruhen, verzichtete auf operative Ermittlungsmaßnahmen.

Ihm scheint der Jagdinstinkt abhanden gekommen

Ranges Amtsgebaren zeichnet generell eine gewisse Zögerlichkeit aus. Das wird ihm auch im Zusammenhang mit den Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA zum Vorwurf gemacht. Ermittlungen wegen eines angeblichen Lauschangriffs auf Merkels Handy verliefen im Sande. Er sei „nicht derjenige, der einen ganzen Flächenbrand löschen kann“, sagte Range dazu unlängst in einem Interview mit dem Magazin „Spiegel“. Der Jagdinstinkt, den er sich ansonsten zugute hält, scheint in dieser Angelegenheit erlahmt zu sein. Angesichts von 3000 Strafanzeigen wegen der NSA-Spionage fällt ihm nicht mehr ein als ein hilfloser Satz: „Soweit wir da etwas Konkretes herausschälen können, gehen wir den Verdachtsmomenten nach.“

Es wäre eine Ironie des persönlichen Schicksals, wenn der liberale Bundesanwalt nun ausgerechnet über illiberale Praktiken stolpern würde. Seine Tage im Amt sind ohnehin gezählt. Spätestens am 16. Februar kommenden Jahres beginnt für Range der Ruhestand. Da wird er 68. Es könnte aber gut sei, dass er sein Büro früher räumen muss.