Brokkoli hilft gegen Osteoporose, Low Carb ist gut bei Migräne. Wir stellen die acht größten Mythen und Wahrheiten zu Heildiäten vor.

Stuttgart - Verzichten, Darben, Waagen-Krampf – bei Diäten denken die meisten von uns an den Kampf gegen überflüssige Pfunde. Tatsächlich stehen sie in der Medizin jedoch auch für Ernährungsstrategien, die bei Krankheiten helfen sollen. Und zwar nicht nur bei Übergewicht, Diabetes und anderen Stoffwechselstörungen, wo es naheliegt. Sondern auch bei Schnupfen, Migräne und Depressionen, wo es zunächst verblüffend klingt. Und aktuelle Studien zeigen, dass sie oft auch wissenschaftliche Fakten zu ihrer Wirksamkeit zu bieten haben.

 

1. Die Urtikaria-Diät

Die hellroten, heftig juckenden Quaddeln der Urtikaria zeigen sich oft genau dann, wenn man entspannt beim Dinner mit Rotwein und Pizza sitzt. Der Grund: Die Hautreaktionen werden durch Histamine ausgelöst, und die werden auch durch bestimmte Nahrungsmittel zugeführt. Das sind vor allem Speisen, die durch längeres Lagern die problematischen Amine angereichert haben, wie etwa Nüsse, Käse, Wein, Fisch- und Gemüsekonserven sowie Salami, Schinken und andere gepökelte Wurst- und Fleischwaren.

Dermatologen um Petra Staubach vom Uniklinikum Mainz haben die Wirksamkeit einer histaminarmen Diät an 56 Patienten mit chronischer Urtikaria überprüft. Nach drei Wochen halbierten sich bei ihnen die Beschwerden, sie konnten die Dosis ihrer Medikamente um fast eine komplette Tablette herunterschrauben.

2. Die Migräne-Diät

Immer wieder hört man von Ärzten, dass Migräne-Patienten viele Kohlenhydrate verzehren sollten, um den Energiehunger ihres hyperaktiven Gehirns zu decken. Doch laut einer Studie der Universität Rom sollte man genau umgekehrt auf Low Carb umstellen, also Kartoffeln, Brot und Früchte-Müsli durch Käse, Steak und Spiegelei ersetzen. Mit dieser Strategie senkten die italienischen Forscher bei ihren Patienten die Zahl der Migränetage von mehr als fünf auf einen Tag pro Monat. Als Ursache vermutet Studienleiter Cherubino di Lorenzo, dass die Nahrungsumstellung den Körper zwingt, mangels leicht verfügbarer Kohlenhydrate auf Fette als Energielieferanten umzuschalten, was zuckerabhängigen Entzündungen den Treibstoff raubt. „Zu den potenziellen Nebenwirkungen gehören allerdings Müdigkeit und Übelkeit“, warnt der Neurologe.

3. Die Rheuma-Diät

Gelenkentzündungen werden durch Arachidonsäure befeuert, die man als Fettsäure in tierischen Produkten findet. Zu einer Rheuma-Diät gehört daher, den Fleischanteil auf dem Teller zu reduzieren. Stattdessen sollte dort reichlich Fischöl zu finden sein, denn dessen Fettsäuren wirken als Gegenspieler zur Arachidonsäure und entfalten auch direkte entzündungshemmende Wirkungen.

In einer aktuellen US-Studie an knapp 180 Arthritis-Patienten zeigten regelmäßige Fischesser nicht nur bessere Entzündungswerte, sie litten auch weniger unter schmerzhaften Gelenken. „Jede zusätzliche Fischportion bringt eine Verbesserung“, betont Studienleiterin Sara Tedeschi vom Brigham and Women’s Hospital in Boston. Bei mindestens zwei Mahlzeiten pro Woche würden die Grätentiere ungefähr ein Drittel der Wirkung des Arthritis-Medikaments Methotrexat erreichen – ohne Nebenwirkungen.

4. Die Osteoporose-Diät

Hartnäckig hält sich die Vorstellung, wonach der Verzehr von Milchprodukten günstig für den Verlauf einer Osteoporose sei. Tatsächlich jedoch wird das Knochenmineral Kalzium aus ihnen schlechter verwertet als etwa aus Brokkoli. In einer Studie der in San Francisco ansässigen University of California hatten Seniorinnen deutlich dichtere Knochen und sie erlitten auch weniger Brüche am Oberschenkelhals, sofern sie ihre Proteine überwiegend aus pflanzlichen Quellen bezogen.

Ähnliches gilt für Frauen, die konsequent auf Cola-Getränke verzichten, denn der beliebte Softdrink enthält Koffein, Phosphate und Fructose, die regelrecht das Kalzium aus den Knochen ziehen. Am besten ersetzt man Getränke dieser Art durch Mineralwasser, das auf einen Liter mehr als ein Gramm Kalzium enthält und damit den kompletten Tagesbedarf decken kann.

5. Die Anämie-Diät

Als Gegenmittel gegen durch Eisenmangel bedingte Blutarmut gilt traditionell der Verzehr von Fleisch, weil es große Mengen des Minerals enthält, die zudem vom Körper gut verwertet werden. Tatsache ist jedoch, wie Surinder Baines von der australischen University of Newcastle in einer Übersichtsstudie herausgearbeitet hat, „dass auch vegetarische Kost viel zur Eisenversorgung beitragen kann“. Denn sie enthalte in der Regel viel Vitamin C, das die Eisenverwertung ums Drei- bis Sechsfache steigern kann. Besonders ergiebige Lieferanten des Minerals sind Bärlauch, Dill, Petersilie, Nüsse und Leinsamen. In Äthiopien wurde außerdem beobachtet, dass sich die Kinder dort deutlich besser entwickelten, wenn ihre Mahlzeiten in Eisentöpfen anstatt in Gefäßen aus Aluminium oder Ton zubereitet werden. Der Grund: Beim Kochen wandert das blutbildende Mineral aus der Beschichtung ins Essen.

6. Die Schnupfen-Diät

Nicht etwa Vitamin C, sondern Zink hat die größten Chancen in der Schnupfen-Therapie. Das Mineral dämpft die Vermehrungsfreude der Schnupfenviren, deren Fähigkeit zum Andocken an der Nasenschleimhaut, und es stimuliert es bestimmte Bereiche des Immunsystems.

Hohe Zinkwerte haben beispielsweise Leber, Haferflocken, Käse und Eigelb. Und die gute alte Hühnersuppe, die auch noch Proteine enthält, die das Mineral so verpacken, dass es der Patient gut verwerten kann. Sie präsentierten sich in Studien zudem als wirkungsvolle Waffe gegen Schwellungen der Atemwegsschleimhäute.

7. Die Bluthochdruck-Diät

Hypertoniker sollten den Salzstreuer beiseite stellen und salzige Fertiggerichte, Würste und Kartoffelchips meiden. Denn auch wenn nicht einmal jeder dritte Mensch mit einem Blutdruckanstieg reagiert, wenn er viel Natriumchlorid konsumiert – die meisten Hypertonie-Medikamente wirken besser, wenn sie nicht in einem Meer aus Salzwasser baden müssen.

Die Deutsche Hochdruckliga empfiehlt außerdem, täglich mindestens drei Gramm Kalium zu verzehren, weil es als Gegenspieler zu Natrium wirkt. Besonders hohe Kaliumwerte haben Weizenkleie, Linsen, Nüsse, Datteln und Spinat.

8. Die Depressionen-Diät

Schokoladensucht, Alkoholmissbrauch, Heißhungerattacken, Appetitlosigkeit – eine Depression zeigt sich oft im Ernährungsverhalten. Doch kann man sie auch umgekehrt durch einen bestimmten Speisezettel günstig beeinflussen? Mit einer mediterranen Kost – wenig Fleisch, dafür viel Fisch, Olivenöl, Gemüse und ungesalzene Nüsse – offenbar schon. Dies hat eine Studie an der Universität von Melbourne herausgefunden.

Australische Forscher teilten 67 depressive Patienten in zwei Gruppen auf: eine erhielt die typischen psychotherapeutischen und medikamentösen Anwendungen, die andere wurde zusätzlich auf Mittelmeer-Diät gesetzt. Zwölf Wochen später ging es der Mediterran-Gruppe im Durchschnitt deutlich besser. Möglicherweise, weil sie mehr ungesättigte Fettsäuren auf dem Teller hatten, die als effektive Nervenschützer gelten. Möglicherweise aber auch, weil sich ihre Darmflora verändert hat, die wiederum enge Kontakte zum Gehirn unterhält. Studienleiterin Felice Jacka von der Deakin University in Melbourne fordert jedenfalls: „Künftig sollte man der Ernährung in der Behandlung von Depressionen mehr Aufmerksamkeit schenken.“