Der Streit über die Documenta ist anstrengend, aber wird lehrreich sein, findet unsere Autorin Adrienne Braun.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Was gibt es Schöneres als schnelle, griffige Lösungen? Leider ist die Realität oft komplizierter. Deshalb geht diese Documenta fifteen an die Nerven, weil sie unlösbare Konflikte aufwirft: Ja, es gibt einen neuen Fall von Antisemitismus in Kassel. Aber im Gegensatz zu dem Wimmelbild auf dem Friedrichsplatz geht es nun um dokumentarisches Material: eine Broschüre von 1988. Sie wird in einem Archiv über Frauen in Algerien ausgestellt, ohne die antisemitischen Zeichnungen zu kommentieren. Das ist anfechtbar. Allerdings hat Ruangrupa das Rechercheteam eingeladen, damit es das historische Dokumentationsmaterial ausstellt. So ist es auch nachvollziehbar, dass die künstlerische Leitung nicht machtvoll eingreifen will, zumal ihr Konzept lautet: von anderen lernen. Lernen ist anstrengend, vor allem bei dieser Debatte, weil unterschiedliche Perspektiven schroff aufeinanderprallen und sortiert und bewertet werden müssen. Das ist mühsam, wird aber belohnt werden mit neuen Erkenntnissen. Die Ausstellung selbst ist übrigens keineswegs anstrengend, sondern hält anregende Projekte bereit, die unser aller Welt besser machen wollen.