Auf den Feldern der Familie Bauerle in Fellbach-Schmiden wurden dieses Jahr die weißen Stangen so früh gestochen wie noch nie. Die Menge war Mitte März noch gering, nun hat die Haupternte begonnen. Beim Verkauf gibt es eine Neuerung.

Jedes Spargeljahr ist anders. Die Natur gibt den Takt vor. Dann muss reagiert werden. Phillip Bauerle war überrascht, als er am 10. März unter die Folien auf seinen Spargelfeldern schaute und sah, dass die Ernte der weißen Stangen bald beginnen kann. Am 15. März wurde das erste Mal gestochen, die Mengen waren gering, der Geschmack aber schon gut. „So früh waren wir noch nie dran“, sagt der Juniorchef von „Früchtle vom Schmidener Feld“.

 

Der frühe Start war eine Überraschung

Er sei nicht wirklich darauf vorbereitet gewesen und Mitte Februar noch davon ausgegangen, dass es dieses Jahr erst später Spargel geben würde. Die Natur hatte es dann jedoch nach den warmen Tagen Ende Februar und Anfang März eilig. „Der Regen, der damals fiel, tat gut, die Erde war und blieb warm“, sagt Bauerle. „Selbst durch Minustemperaturen in den vergangenen Nächten hat sich die Erde unter der schwarzen Folie nicht stark abgekühlt.“ Nur dort, wo mit durchsichtiger Folie gearbeitet wird, sei die Kälte angekommen.

Phillip Bauerle musste schnell handeln, die Erntehelfer informieren und zu sich in den Betrieb holen. Innerhalb von zwei Tagen waren sie da. „Die meisten kennen wir“, sie kämen aus Polen und Rumänen seit Jahren nach Schmiden. „Endlich können wir wieder normal arbeiten“, sagt Bauerle erfreut, dass es keine Corona-Einschränkungen mehr gibt. Im Gegenteil, die Saisonarbeiter stünden an der Grenze auf Abruf. „Sie wollen kommen, sie wollen Geld verdienen und sie erzählen, dass bei ihnen die Lebensmittel extrem teuer geworden sind.“

Die Spargelernte 2023 steht unter dem Vorzeichen der Inflation

Die Spargelernte stehe unter dem Vorzeichen der Inflation, sagt Phillip Bauerle. Wie andere Kollegen aus der Landwirtschaft kämpft auch er mit gestiegenen Preisen. Das fange beim Mindestlohn an, auch die Düngemittel seien extrem teuer geworden, ebenso die Folien und die Energiekosten. Im Moment zahlen die Verbraucher im Hofladen 23,80 Euro für 1a-Qualität je Kilogramm, das sind die schönen, geraden, dicken, 16 Zentimeter langen Stangen. „Davon gibt es noch recht wenig“, sagt Phillip Bauerle und ist selbst erstaunt, dass die bisher gestochenen Spargelstangen in der Mehrzahl sehr dünn sind. Das ist mühsam für die Spargelstecher, es gibt weniger Menge bei gleicher Arbeitszeit. Der Geschmack sei jedoch sehr gut, bei den dickeren Stangen intensiver. Im Moment reagiert Bauerle auf die veränderte Stärke der Spargelstangen, indem er Bündel mit kürzerem, dünnem „Minispargel“ anbietet. Auch grüner Spargel wird schon angeboten, er ist von Haus aus dünner.

Auf dem Feld arbeitet Bauerle vornehmlich mit rumänischen Saisonarbeitern, in der Halle, wo die Spargel sortiert, auf Länge gebracht und größtenteils auch geschält werden, mit polnischen Kräften. Im Moment müssten sich alle wieder einfinden in die Arbeit. Für Phillip Bauerle sind die Arbeitstage lang – frühmorgens Großmarkt und bis in den Abend hinein organisieren und einteilen. 18 Stunden Arbeit und sechs Stunden Schlaf, so sehe sein Tag aus. Er lacht und verbessert sich – „eine Stunde Mittag nehme ich mir“. Dann bleiben fünf zum Schlafen. „Aber das ist am Saisonanfang immer so.“

Im Moment werden die frühen Sorten gestochen, etwa fünf Wochen lang kann eine Pflanze liefern. Es werden wohl – bis zum 20. Juni, dem offiziellen Ende der Saison - drei Zyklen werden. Die späten Sorten wachsen in Bittenfeld, die anderen in Schmiden und Richtung Neugereut. Bauerle setzt gerade Neupflanzen, auf fünf Hektar. Insgesamt umfasst die Spargelfläche 70 Hektar, auf 65 kann dieses Jahr gestochen werden.

Spargelbau erfordert ganzjährig Einsatz. Die Pflanzen sind gut durch den Winter gekommen, der Boden war kräftig durchgefroren. Die letzten Wochen waren sehr windig, teilweise stürmisch. Die Abdeckfolien, ohne sie geht im Spargelbau nichts mehr, haben gelitten. Das ist arbeitsintensiv, schon lange vor der Ernte. „Wir haben dieses Jahr achtmal die Folien nachjustieren müssen. Es gab viele Schäden.“ Von diesen Vorarbeiten wissen die Verbraucher meist nichts, aber sie erklären den Kilopreis. Im Moment sei der hohe Preis, rund 20 Prozent mehr als 2022, kein Thema bei den Kunden.

Pioniere vor 40 Jahren

Die Nachfrage sei gut, auch auf dem Großmarkt. Es habe sich eingebürgert, dass zu Ostern regionaler Spargel auf den Tisch komme. „Wir sind auf dem Niveau wie vor der Pandemie, bei der Gastronomie und den Kantinen jedoch um ein Fünftel drunter.“ Seniorchefin Karin Bauerle streicht liebevoll über die Spargel-Auslage mit der 1a-Qualität. 1983, vor exakt 40 Jahren, haben sie und ihr Mann Klaus als Pioniere den Schritt gewagt und den ersten Spargel auf dem Schmidener Feld angebaut. Längst ist das Gemüse ein Markenzeichen für die Region und der Betrieb „Früchtle vom Schmidener Feld“ der größte Anbauer im Rems-Murr-Kreis. Lediglich die Familien Schmid aus Beinstein (Hofmarkt Schmid) und Knödler aus Leutenbach bauen in der näheren Umgebung Spargel an, allerdings in geringeren Mengen.

Vor dem Hofladen, gleich neben Bauerles Spargelbesen, gibt es ein neues Angebot: ein Automat, aus dem rund um die Uhr Spargel gezogen werden kann. „Wir müssen uns unabhängiger machen“, erklärt Karin Bauerle den Schritt und die Idee, die ihr Sohn umgesetzt habe. „Es wird immer schwieriger, Leute zu bekommen.“ In der Obst-Scheuer, im Hofladen und nun auch wieder am „Ständle“ in der Fellbacher Bahnhofstraße wird aber weiter persönlich bedient.