Plastik auf der Basis von Erdöl ist ökologisch höchst bedenklich. Plastik aus Zuckerrohr oder Rizinusöl könnte die Zukunft sein, wirft aber neue Probleme auf.

Stuttgart - Die Legos werden umweltfreundlicher. Zwar noch nicht die berühmten Spielzeug-Bausteine, aus denen sich Häuser, Fahrzeuge und andere hübsche Dinge zusammenbasteln lassen, sondern Bäume und Sträucher. Die sind nicht nur grün gefärbt, sondern werden nun aus Bioplastik und nicht mehr aus herkömmlichem Plastikmaterial hergestellt. Genauer gesagt stammt der Rohstoff – nämlich Ethanol – für das Polyethylen (PE), aus dem die Elemente gefertigt werden, aus Zuckerrohr. Laut Lego bestehen deshalb die neuen Biobausteine zu 98 Prozent aus Materialien auf Pflanzenbasis. Vermarktet wird das vom brasilianischen Konzern Braskem hergestellte Ausgangsmaterial bereits seit einigen Jahren als „Green PE“.

 

Technisch gesehen seien die weichen, langlebigen und flexiblen Elemente identisch mit den bekannten Bausteinen, heißt es bei Lego. Man könne keine Unterschiede sehen oder fühlen. Zudem seien die neuen Bauteile genauso langlebig – aber damit auch nicht biologisch abbaubar. Und selbst wenn sie letztlich aus Zuckerrohr sind: Essen kann man sie nicht.

Die neuen Bio-Legos und die schon länger erhältlichen Biodübel auf Basis von Rizinusöl gehören zu den wenigen Beispielen, dass Biokunststoffe bereits den Weg in die Anwendung gefunden haben. Geforscht wird allerdings viel auf diesem Gebiet – auch mit tatkräftiger Förderung des Bundesforschungsministeriums (BMBF) im Rahmen der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030. „Allein im Cluster Biopolymere/Biowerkstoffe haben sich rund 150 Unternehmen und 40 Forschungseinrichtungen zusammengetan, um Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe herzustellen“, heißt es beim BMBF. Unter den Begriff Biokunststoff werden dabei nicht nur Materialien gefasst, die auf Pflanzenbasis statt aus Erdöl hergestellt werden, sondern auch solche, die unter bestimmten Bedingungen biologisch abbaubar sind.

Lego produziert seine Elemente aus 20 verschiedenen Kunststoffen

Da wird an neuartigen Fasern aus Biopolymeren für medizinische Anwendungen gearbeitet, die vom Körper gut vertragen und abgebaut werden können. Oder an Hochleistungs-Klebestoffen für Möbel, Bodenbeläge und Autos, die mithilfe von Bakterien hergestellt werden. Als Nährmedium für die Bakterien dienen Reststoffe, so dass keine potenziellen Nahrungsmittel verwertet werden. Hier kommt dann auch Bioplastik aus Kleie in Betracht, jenem Reststoff, der etwa bei der Getreideverarbeitung anfällt und sich nur schwer verkaufen lässt.

Wie kompliziert es allerdings technisch oft ist, herkömmlich produzierte Kunststoffe durch Biomaterial zu ersetzen, zeigt das Beispiel Lego. In der Branche wird berichtet, dass für die rund 75 Milliarden Elemente, die Lego jedes Jahr produziert, 20 verschiedene Kunststoffe verarbeitet werden. Bis zu 70 Prozent bestehen dabei aus Acrylnitril-Butadien-Styrol, kurz ABS. Dieses Material garantiert offenbar am besten, dass zwei zusammengesteckte Bausteine gut miteinander verbunden sind – und sich auch wieder lösen lassen. Zudem sind die ABS-Bausteine haltbar, farbecht, schlagfest und vor allem zäh und hart – wie jeder weiß, der nachts einmal versehentlich auf ein herumliegendes Legoteil getreten ist.

All diese Eigenschaften sind mit biobasierten Kunststoffen im kommerziellen Rahmen zumindest bisher nur schwer zu erreichen. Es dürfte also noch viel Forschungsarbeit erforderlich sein, bis das Lego-Ziel erreicht ist: Bis 2030 will die Firma sämtliche Bausteine aus Biokunststoff oder Recycelmaterial herstellen.

Technische Herausforderungen sind groß

Das gilt auch für andere biobasierte Kunststoffe, etwa aus Polymilchsäure (PLA). „Um vermarktungsfähige Biokunststoffe aus PLA für technische Produkte herzustellen, müssen wir die Werkstoffeigenschaften anpassen und verbessern“, erklärt etwa Hendrik Roch von der Abteilung Biobasierte Kunststoffe beim Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen in einer Mitteilung der Forschungsorganisation. So gehe etwa der Brandschutz meist zulasten der mechanischen Eigenschaften. Der PLA-Kunststoff werde noch spröder, wenn man Flammschutzmittel dazugebe. Ziel ist, technische Produkte wie Leuchten und Schalter für die Gebäudetechnik aus einem solchermaßen aufgerüsteten PLA-Kunststoff herzustellen.

Weitere Beispiele für die beachtlichen technischen Herausforderungen bei der Suche nach umweltverträglicheren Kunststoff-Alternativen lassen sich mühelos finden. Das aber hält die Branche nicht davon ab, intensiv an neuen Biokunststoffen und ihren möglichen Anwendungsgebieten zu arbeiten. Industrieunternehmen wie die BASF mischen ebenso mit wie Unis und Forschungsinstitute im In- und Ausland – wobei auch unkonventionell anmutende Anwendungen geprüft werden: Bioplastik aus Algen für den 3-D-Drucker zum Beispiel. Oder styroporartige Werkstoffe aus Pilzmyzel – den fadenförmigen Zellen der Pilze – und Holzfasern, die bei geeigneten Bedingungen in wenigen Monaten abbaubar sind.

Bioplastik ist ein Wachstumsmarkt

Die intensive Forschung dürfte sich in vielen Fällen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch lohnen: Bioplastik ist ein Wachstumsmarkt. 2017 lagen die Produktionskapazitäten bei weltweit rund 2,05 Millionen Tonnen, 2022 sollen es 2,44 Millionen Tonnen sein. Einzelnen Biomaterialien wie Polyethylenfuranoat (PEF) wird eine große Zukunft vorhergesagt. Es wird voraussichtlich von 2020 an auf den Markt kommen und ist mit dem heute weit verbreiteten PET vergleichbar, das unter anderem für Kunststoffflaschen genutzt wird. Es soll aber bessere Barriereeigenschaften aufweisen – und vor allem zu 100 Prozent biobasiert sein. Somit gilt es als ideales Material für Verpackungen.

Umweltschützer sehen solche Entwicklungen mit gemischten Gefühlen. Prinzipiell halten sie biobasierte Kunststoffe für sinnvoll – solange sie für langlebige Produkte verwendet werden und nicht etwa für Verpackungsmaterial, das nach einmaligem Gebrauch weggeworfen wird. Und Verpackungen hatten 2017 mit 1,2 Millionen Tonnen, entsprechend fast 60 Prozent, den größten Anteil am gesamten Biokunststoffmarkt. Der ist übrigens fest in asiatischer Hand: Dort wird weltweit mehr als die Hälfte aller Biokunststoffe produziert, nur ein Fünftel in Europa.

Bio ist nicht gleich Bio – Was die Begriffe bedeuten

Ressource
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Etwa zwei Prozent aller Kunststoffe gelten mittlerweile als Biokunststoffe – Tendenz steigend. Als alternativer Rohstoff zu Kunststoffen, die aus Erdöl hergestellt werden, sollen biobasierte Kunststoffe die Erdölreserven und vor allem das Klima schonen. Als Ressourcen kommen Pflanzen wie Zuckerrohr, Weizen oder Hanf in Betracht, aber auch tierische Produkte wie Milch. Biobasierte Kunststoffe müssen keineswegs schneller abbaubar sein als erdölbasierte Kunststoffe – sie können genauso langlebig sein.

Abbaubarkeit:

Biologisch abbaubare Materialien müssen dagegen durch Mikroorganismen oder deren Enzyme zerkleinert werden können – und zwar zu Wasser, Kohlendioxid und Biomasse. Detaillierte Normen schreiben vor, welche Bedingungen herrschen müssen und welche Zeiträume gelten. Manche Biokunststoffe stammen aus erneuerbaren Rohstoffen und sind zudem leicht abbaubar – etwa Verpackungschips aus Mais.