Noch kann die Bahn nicht auf Dieselzüge im Südwesten verzichten. Aber in Aulendorf immerhin fließt ab sofort nur noch Biokraftstoff in deren Tanks.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

An einem einsamen Gleisabschnitt außerhalb der Stadt Aulendorf im Kreis Ravensburg, verborgen hinter Büschen und zugänglich über einen löchrigen Kiesweg, liegt eine der großen Dieseltankstellen der Deutschen Bahn im Süden. Im Beisein des grünen Verkehrsministers Winfried Herrmann verkündete der Schienenkonzern hier vor Ort am Donnerstag eine kleine technische Revolution: 57 Diesel-Triebwagen des Unternehmens werden ab sofort nur noch mit Biokraftstoff befüllt. Bis Ende nächsten Jahres sollen auf diese Weise in den Vergabenetzen Aulendorfer Kreuz und Donau-Ostalb rund 3700 Tonnen CO2 eingespart werden, verspricht Thorsten Krenz, Konzernbevollmächtigter für Baden-Württemberg.

 

Strittige Biomasse

Biokraftstoff ist nicht unumstritten, weil häufig die zur Herstellung nötige Biomasse zulasten der Nahrungsmittelproduktion geht und die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen bilanziell sogar erhöht sind. Das ist in Aulendorf jedoch nicht der Fall. Laut Bahn besteht der Biotreibstoff mit der Bezeichnung HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) aus biologischen Rest- und Abfallstoffen und ist frei von Palmöl. Die Dieselzüge müssen dafür nicht umgerüstet werden. Lieferant ist ein Unternehmen aus den Niederlanden.

Aulendorf ist die erste Biospritanlage der Bahn im deutschen Süden. Weitere befinden sich in Würzburg, Frankfurt oder hoch im Norden, wo zum Beispiel bereits die Autoreisezüge des Sylt Shuttles mit HVO betankt werden. Für den Minister Hermann handelt es sich um eine Etappe bis zur vollständigen Umstellung des Bahnverkehrs im Land auf alternative Antriebe.

Während die Südbahn zwischen Ulm und Friedrichshafen trotz ihrer Elektrifizierung noch auf Diesel-Ergänzungsverkehr angewiesen ist, werden etwa die Bodensee-Gürtelbahn oder die Hochrheinbahn noch vollständig mit Dieselloks befahren. Bis zum Jahr 2040 soll das dann aber endgültig Geschichte sein. In zwei Jahren, so Herrmann, sollten im Ortenaukreis die ersten batteriebetriebenen Züge fahren. Auch mit der Brennstoffzellentechnologie werde experimentiert.

Teurer als Diesel

Biotreibstoff ist deutlich teurer als Diesel. Das Land als Bestellerin der Bahnleistungen gleicht die Mehrkosten in Aulendorf für prognostizierte 1,3 Millionen Liter bis Ende 2023 mit rund 400 000 Euro aus. Herrmann will sich nun dem nächsten Schienenprojekt widmen: der deutlichen Verbesserung der Fahrgast-Kapazitäten im Land bis zum Jahr 2030. Die abgelaufenen drei Monate hätten schmerzhaft gezeigt, so der Minister, „wo die Grenzen des Systems sind“.