Erstes TV-Interview nach Wahl Trump klagt über angeblichen Betrug

Trump sieht sich weiter als Opfer eines massiven Wahlbetrugs. Er hofft noch auf einen Durchbruch vor Gericht. Bidens Wahlsieg erkennt er nicht an. In einem Interview mit einer ihm freundlich gesinnten Journalistin klagt er ausführlich über sein Los.
Washington - In seinem ersten Fernsehinterview seit der US-Wahl hat der amtierende Präsident Donald Trump seine unbewiesenen Behauptungen zu angeblichem Wahlbetrug wiederholt.
Die Abstimmung vom 3. November sei "ein kompletter Betrug" gewesen, sagte Trump am Sonntag in einem Telefoninterview mit dem Nachrichtensender Fox News. Trump erneuerte in dem fast einstündigen Gespräch seine Behauptungen, wonach viele Tote abgestimmt hätten und es wegen der Zunahme der Briefwahl zu "massivem Betrug" gekommen sei.
Trump hat bislang keine belastbaren Beweise für den angeblichen Wahlbetrug vorgelegt, von dem er seit Wochen spricht. US-Gerichte haben bereits zahlreiche Klagen abgeschmettert, mit denen er und seine republikanischen Verbündeten das Wahlergebnis anfechten wollten. Erst am Freitag hatte ein Bundesrichter, der einst von Trump nominiert worden war, im Bundesstaat Pennsylvania eine wichtige Klage in Bausch und Bogen als unbegründet abgewiesen. US-Behörden und die Wahlleiter in den Bundesstaaten haben die Abstimmung als sicher und erfolgreich bewertet - es sind keine großen Betrugsfälle bekannt.
Trump (74) weigert sich jedoch weiter, den Wahlsieg des Demokraten Joe Biden (78) anzuerkennen. Auf die Frage der konservativen Fox News Moderatorin Maria Bartiromo, ob es für ihn trotz der Niederlagen vor Gericht noch einen Weg zum Sieg gebe, sagte Trump: "Ich hoffe es." Er hätte in den entscheidenden Bundesstaaten "Tausende, Zehntausende" Stimmen mehr bekommen als Biden, behauptete er. Soziale Netzwerke und insbesondere die Medien - die er erneut als "Feinde des Volkes" bezeichnete - unterdrückten die Wahrheit, sagte Trump weiter.
Trump klagte zudem, dass es sehr schwer sei, seine Vorwürfe bis vor den Obersten Gerichtshof in Washington, den Supreme Court, zu bringen. Dort hofft Trump auf ein Heimspiel, weil sechs der neun Richter als konservativ gelten, drei davon wurden von ihm nominiert. "Man braucht einen Supreme Court, der willens ist, eine wirklich große Entscheidung zu treffen", sagte er. Trumps gescheiterte Klagen in niedrigeren Instanzen lassen die Hoffnungen auf das Oberste Gericht jedoch als wenig realistisch erscheinen. Zudem wäre selbst ein für ihn günstiges Urteil zu einem Streit in einem Bundesstaat längst nicht genug, um ihm noch zum sieg zu verhelfen.
Biden wurde nach der Wahl von US-Medien zum Sieger erklärt. Er konnte sich nach bisherigem Auszählungsstand die Stimmen von 306 Wahlleuten sichern, deutlich mehr als die für einen Sieg nötigen 270 Stimmen. Das Wahlkollegium wird am 14. Dezember den nächsten Präsidenten und dessen Vize wählen. Das Ergebnis der Abstimmung wird allerdings erst am 6. Januar offiziell bekanntgegeben. Beide Schritte gelten angesichts der bekannten Wahlergebnisse aber als Formalien. Biden (78) soll dann am 20. Januar feierlich vereidigt werden.
Im nördlichen Bundesstaat Wisconsin hatte Trump eine teilweise Neuauszählung der Stimmen beantragt. Dabei gewann Biden in den Bezirken Milwaukee und Dane insgesamt 87 Stimmen hinzu, wie die Zeitung "Milwaukee Journal Sentinel" berichtete. In Milwaukee gewann Biden demnach 132 Stimmen, in Dane gingen 45 Stimmen an Trump. Biden gewann die Wahl in Wisconsin bei rund drei Millionen abgegebenen Stimmen mit gut 20.000 Stimmen Vorsprung. Trumps Wahlkampfteam zahlte für die Neuauszählung drei Millionen Dollar in Vorkasse gezahlt.
Trump ist seit der Wahl vergleichsweise selten öffentlich aufgetreten. Dabei vermied er es bis Donnerstag, sich Fragen von Journalisten zu stellen. Auf die Frage einer Reporterin hin erklärte er dann, dass er das Weiße Haus aus eigenen Stücken verlassen werde, falls Biden vom Wahlkollegium gewählt werden sollte. Spekulationen, wonach er eine erneute Präsidentschaftskandidatur 2024 plane, wollte Trump dabei nicht kommentieren.
Trumps Regierung hatte sich nach der Wahl zunächst geweigert, die gesetzlich vorgesehene geordnete Amtsübergabe ("transition") an Biden einzuleiten. Am Montag hatte die zuständige Behörde jedoch nachgegeben und den Weg geebnet, damit der Demokrat und sein Team schon vor der Amtseinführung Zugang zu Ministerien, Behörden und vertraulichen Informationen der Regierung bekommen sowie Millionen Dollar für Gehälter und andere Ausgaben. An diesem Montag soll Biden erstmals das streng vertrauliche Briefing der Geheimdienste bekommen, das normalerweise nur an den Präsidenten geht.
© dpa-infocom, dpa:201129-99-508767/3
Unsere Empfehlung für Sie

Starke Sicherheitsvorkehrungen USA steuern auf Regierungswechsel zu
Die letzten Stunden von US-Präsident Trump im Weißen Haus sind angebrochen. Dem Regierungswechsel am Mittwoch blicken die USA angesichts der angespannten Sicherheitslage mit Sorge entgegen. Die Amtseinführung von Joe Biden wird anders sein als alle anderen zuvor.

Mögliche Nachahmeraktionen? FBI besorgt über Gewaltpotenzial rund um Biden-Vereidigung
Genau dort, wo in der vergangenen Woche ein wütender Mob tobte, soll in wenigen Tagen der künftige US-Präsident vereidigt werden. Die Sicherheitsbehörden gehen vielen Hinweisen auf mögliche Nachahmeraktionen nach. Was davon ist nur Gerede? Was ist ernst?

Sturm aufs Kapitol Investigativportal erstellt Chronik aus 500 Videos
Ein US-amerikanisches Investigativportal an sich an der Rekonstruktion der Ereignisse um das Kapitol am 6. Januar versucht und aus 500 Videos eine Chronologie geschnitten. Das Ergebnis zeigt auch, wie detailliert historische Ereignisse heutzutage dokumentiert werden können.

Innerhalb von 10 Tagen Biden will USA im Eiltempo auf neuen Kurs bringen
Gleich mehrere Krisen werden die Amtszeit von Joe Biden als US-Präsident bestimmen. Unmittelbar nach seiner Vereidigung will er Entschlossenheit beweisen - und die Abkehr von Trump einleiten. Vor dem Machtwechsel schottet sich die US-Hauptstadt immer weiter ab.

Corona-Pandemie in den USA Trump und Biden streiten sich um Einreisestopp aus Europa
Noch vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Biden kommt es zum Konflikt mit dem scheidenden Amtsinhaber: Trump ordnet ein baldiges Ende des Einreisestopps aus Europa an. Bidens Team widerspricht umgehend - und teilt mit, die Reisebeschränkungen blieben bestehen.

Vereidigung des neuen US-Präsidenten Joe Biden will USA nach Amtseinführung auf neuen Kurs bringen
Corona, Klima, Ungleichheit: Mehrere Krisen werden die Bidens Amtszeit als US-Präsident bestimmen. Unmittelbar nach seiner Vereidigung will er Entschlossenheit beweisen. Unterdessen schotten die Behörden die US-Hauptstadt aus Sorge vor Gewalt immer weiter ab.