Ein 15-Jähriger hat an Neujahr einem Mann, der in den Neckar gestürzt war, das Leben gerettet. Jetzt haben Polizei, Feuerwehr und DLRG ihm am Ort des Geschehens für seinen beherzten Einsatz gedankt. Ganz wohl war dem Jugendlichen dabei nicht.

Eher schüchtern steht ein Jugendlicher am Samstagvormittag am Neckarufer. Wenige Meter von der Wilhelmsbrücke entfernt, erhält er Applaus von Einsatzkräften der Feuerwehr, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und der Polizei. Am 1. Januar hat er ein ganz anderes Gesicht gezeigt, war deutlich weniger zurückhaltend. Als der 15-Jährige an Neujahr gegen 7 Uhr auf dem Weg zum Morgengebet war, hat er einem 32 Jahre alten Mann, der kurz zuvor in den Neckar gefallen war, das Leben gerettet.

 

Hilferufe aus dem Neckar

„Zuerst habe ich ein Plätschern wahrgenommen. Ich dachte zunächst, es sei eine Ente. Dann habe ich Hilferufe gehört.“ Und einen Mann entdeckt, der kurz zuvor in den Neckar gefallen war. Selbst reinspringen, sei keine Option gewesen. „Dann wäre ich auch ertrunken. Stattdessen habe ich mir auf der Seite des Theaterschiffs einen Rettungsring geschnappt und ihn von der Wilhelmsbrücke in Richtung des Mannes geworfen.“ Parallel dazu habe er die 112 gewählt und einen Notruf abgesetzt. Nicht einmal zehn Minuten später konnte der 32-Jährige von alarmierten Strömungsrettern aus dem Wasser gezogen werden. Sie sind mit Schwimmweste und Wurfleine speziell dafür ausgebildet, Menschen schwimmend aus fließenden Gewässern zu retten.

Mann war stark unterkühlt

So richtig lässt der Jugendliche, der nicht in die Öffentlichkeit will, die Anerkennung nicht an sich heran. „Es war doch selbstverständlich, was ich gemacht habe. Nichts Besonderes“, sagt der Iraker, der vor rund acht Jahren nach Deutschland gekommen ist. Diese Einschätzung teilt Jürgen Ruppert nicht. Er war als Notarzt an Silvester im Dienst, am Neckar vor Ort und ist voll des Lobes für den 15-Jährigen. „Während andere junge Menschen, nicht nur in Berlin, randaliert haben und unter anderem Einsatzfahrzeuge beschädigten, hat er genau das Richtige gemacht.“ Als er den Mann medizinisch versorgte, habe dieser noch eine Temperatur von 33,3 Grad gehabt. „Er war stark unterkühlt und komplett entkräftet. Es hätte nicht mehr lange gedauert, dann hätte er das Bewusstsein verloren.“

Auch Stefan Hartmann, Hauptbrandmeister und Feuerwehrtaucher, ist der Überzeugung, dass es bei den Temperaturen um Minuten gegangen sei. „An Silvester war es zwar draußen warm, der Neckar hatte aber keine zehn Grad.“ Der Mann habe Glück im Unglück gehabt. „Die Rettungskette hat perfekt funktioniert. Weil der Neckar das größte Gewässer Stuttgarts ist, sind wir in der Feuerwache 3 an der Mercedesstraße taktisch ideal positioniert und konnten schnell vor Ort sein.“ Dennoch habe der 15-Jährige mit seinem Engagement dem Mann das Leben gerettet. „Wir sind zwar 24 Stunden in Bad Cannstatt in Bereitschaft, kommen aber nur, wenn man uns ruft“, betont er ausdrücklich.

Eigenes Können nicht überschätzen

Tino Roediger, einer von vier Einsatzleitern bei der DLRG, zeigt der „beherzte Einsatz des Jugendlichen, dass jeder helfen kann, wenn er nur will. Um einen Rettungsring zu werfen oder den Notruf abzusetzen, braucht man keine Ausbildung.“ Wichtig sei, dass man sein eigenes Können nicht überschätze und sich nie selbst in Gefahr bringe, um einer anderen Person zu helfen. „Dementsprechend sollte man nie bei kaltem Wetter oder starker Strömung selbst in Wasser springen.“ Polizeipräsident Markus Eisenbraun war am vergangenen Samstag nicht persönlich vor Ort, bedankte sich beim Ersthelfer aber schriftlich. „Die Polizei ist stets auf die Unterstützung von aufmerksamen und couragierten Bürgerinnen und Bürgern angewiesen“, heißt es in dem Brief. Durch sein mutiges und schnelles Handeln habe er dafür gesorgt, dass das Leben des Mannes gerettet werden konnte.

Neckar kein ungefährliches Gewässer

An Neujahr ist der Sturz in den Neckar glimpflich ausgegangen. In der Vergangenheit ist das jedoch nicht immer der Fall gewesen. Im Dezember vor einem Jahr ertrank bei Remseck ein Mann, der mit seinem Auto in den Fluss gestürzt war. Und 2017 war bei Esslingen ein 17-Jähriger ums Leben gekommen, als er stark alkoholisiert in den Fluss stieg. Zuletzt ist ein 56-Jähriger aus Weinstadt im Neckar ums Leben gekommen. Die Leiche des Mannes, der am 3. Januar als vermisst gemeldet wurde, ist am 18. Januar beim Wasserkraftwerk in der Inselstraße in Untertürkheim entdeckt worden. Hinweise auf ein Fremdverschulden liegen laut Kriminalpolizei nicht vor, die Ermittlungen zu den näheren Todesumständen dauern aber an.