Der Ehrenpräsident des Bundesligisten hat viel erlebt und ist dennoch immer seiner Heimatstadt Leonberg treu geblieben. Heute beobachtet Erwin Staudt die Ereignisse mit Gelassenheit.

Das Gebiet westlich der A 8 in Leonberg gehört nicht nur den Landwirten. Auch viele Spaziergänger und Jogger sind in den Wäldern und auf den Feldern unterwegs. Einer von ihnen ist Erwin Staudt. Täglich läuft der Ehrenpräsident des VfB Stuttgart hier seine zehn Kilometer. „Jeden Tag“, betont Staudt. „Egal, ob es regnet oder schneit.“ Kein Wunder also, dass er sich selbst im vergleichsweise höheren Alter noch fit und munter fühlt. An diesem Samstag feiert Staudt seinen 75. Geburtstag.

 

Der Jubilar liest gerade Zeitung, als unsere Redaktion ihn zum Geburtstagsinterview anruft: „Ich wollte mal schauen, welche Sprüche Söder und Lindner beim politischen Aschermittwoch losgelassen haben“, flachst der gebürtige Leonberger, um sogleich den Bogen in die Kommunalpolitik zu schlagen: „Unser OB ist ja neuerdings auch beim politischen Aschermittwoch dabei“, sagt er mit Blick auf das Gastspiel Martin Georg Cohns bei der SPD in Weil der Stadt.

Die Liebe zum Fußball hat er beim TSV Eltingen entdeckt

Dass es in der Leonberger Rathausspitze kracht, will der frühere SPD-Stadtrat nicht weiter kommentieren: „Streit ist normal. Das erlebe ich auch beim VfB.“ Dass aber die Konflikte, etwa jener von OB Cohn und seiner Stellvertreterin Josefa Schmid der Boulevardpresse Schlagzeilen liefert, sei „völlig unnötig“. Probleme sollten intern diskutiert werden. „Dazu gehört, dass man mal in der Minderheit ist. Das muss man als Demokrat ertragen.“

Ist das heute noch so? Die Aufgeregtheiten und Schmähungen im Internet lassen das Gegenteil vermuten. Erwin Staudt sieht es gelassen: „Der Mensch vergisst. Was heute für uns noch wahnsinnig wichtig ist, kann in ein paar Wochen keine Rolle spielen.“ Nicht nur in den acht Jahren als VfB-Präsident hat er das erlebt. „Früher hab ich oft schlaflose Nächte gehabt und später war es wurscht. Man wird mit den Jahren cooler.“

Staudt kennt viele Facetten des Lebens. Seine Liebe zum Fußball hat er auf der Straße und beim TSV Eltingen entdeckt. Samstags hatte ihn sein großer Bruder zum VfB mitgenommen. Damals konnte der kleine Erwin nicht ahnen, dass er rund 40 Jahre später Chef des Bundesligaklubs werden wird.

Verantwortung hatte Erwin Staudt schon als Schüler übernommen. Am Albert-Schweizer-Gymnasium war er Klassensprecher, durch einen Besuch einer Juso-Versammlung geriet er an die SPD, schon im Alter von 22 Jahren wurde er Kreisrat. Zwölf Jahre war er im Leonberger Gemeinderat, zweimal als Stimmenkönig hineingewählt.

Er feiert mit seiner Familie im Restaurant eines alten Kumpels

Als Chef der IBM-Niederlassung ging Staudt drei Jahre nach Berlin, ansonsten ist er immer seiner Heimatstadt treu geblieben. Von hier aus beobachtet er die lokale wie auch die nationale und die internationale Politik mit einer gesunden Distanz. Einmischen tut er sich nicht mehr. Lediglich wenn es um den VfB geht, sagt er seine Meinung.

Bei all dem ist Erwin Staudt ein Familienmensch. So feiert er auch seinen Geburtstag mit Frau, Kindern und Enkelkindern im Restaurant eines Kumpels aus alten Tagen.