Erwin Teufel, der frühere baden-württembergische Ministerpräsident, hat ein neues Buch herausgegeben: „Aus der Krise lernen“ heißt es und wendet sich gegen den Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Stuttgart - Er ist wieder da, wenn auch nur für eine Stunde. Aber das reicht schon, um Erinnerungen zu beleben, die nie ganz weg waren, auch wenn es schon bald zehn Jahre her sein wird, dass Erwin Teufel aus dem Amt des Ministerpräsidenten vertrieben wurde. So hat er das damals jedenfalls empfunden, als Fraktionschef Günther Oettinger ansetzte, endlich nach der ganzen Macht zu greifen und den Patriarchen im Staatsministerium aufs Altenteil zu schieben. 2005 sagte Teufel adieu, 14 Jahre hatte er Baden-Württemberg regiert; lange genug um nicht nur die Politik im Land zu prägen, sondern auch die politische Kultur: bescheiden und bodenständig im Auftreten, aber überaus machtbewusst im Handeln. Rundfunkfusion, Energiefusion, Bankenfusion, dazu die große Verwaltungsreform – da hat einer ganz schön viel auf den Weg gebracht. Teufel war nie so bieder, wie er sich gab.

 

Diesmal ist es eine Buchpräsentation, die ihn am Donnerstagmittag ins Stuttgarter Haus der Wirtschaft geführt hat. Nein, nicht „Maß und Mitte“ – eine von Teufels Lieblingswendungen – lautet der Titel des Sammelbands, den er mit seinem politischen Zögling Winfried Mack präsentiert. Das Buch hat er schon geschrieben. „Aus der Krise lernen“ – so heißt sein neues Werk, erschienen im Herder Verlag. Der Titel ist aber gar nicht so wichtig. Bei Teufel geht es immer darum, wie es gelingen kann, die Gesellschaft vor der Selbstzerstörung zu bewahren, ihre Bindekräfte zu stärken und die antagonistischen Kräfte von Individualismus und Vermassung zu bändigen.

Idealbesetzung für Europa

Und natürlich handelt das Buch auch über Europa, ein Thema, das Teufel seit seiner Mitarbeit im – schließlich gescheiterten – Verfassungskonvent nicht mehr loslässt. Nur nebenbei: Jean-Claude Juncker hält er für eine Idealbesetzung im Amt des Kommissionspräsidenten, aller Kritik zum Trotz, die über den Luxemburger hinwegfegte, als dieser sich anheischig machte, das einflussreiche Amt anzustreben. Allein schon die Erfahrung prädestiniere Juncker für die Aufgabe des Kommissionspräsidenten, sagt Teufel. „Ein ganz ausgezeichneter Fachmann.“ Und den brauche es, denn der Euro stecke noch tief in der Krise.

Teufel wirkt zerbrechlicher als früher, Anfang September wird er 75, sein einst eindruckvoller Quadratschädel ist nicht mehr ganz so quadratschädelig, aber immer noch voller Eigensinn. Teufel ist nach wie vor viel unterwegs. Unten vor dem Haus der Wirtschaft wartet der Fahrer und wird zunehmend hippelig. Die beiden müssen noch nach München. Teufel hat noch eine Laudatio vor sich: Horst Seehofer wird mit dem Griechisch-Bayerischen Kulturpreis ausgezeichnet. Die vielen Vorträge halten Teufel auf Trab, und sie erhalten ihm seine Gewitztheit. An wen er sich mit seinem neuen Buch wende, wird er gefragt. An alle politisch Interessierten, versetzt Teufel. „Von denen gibt es mehr, als man glaubt; und die sitzen in der Regel nicht in den Parlamenten.“ Sein Co-Herausgeber Mack stutzt, grinst dann etwas gequält und sagt: „Aber schon auch“.

Über den Niederungen der Parteipolitik

Mack, von Teufel nach Kräften gefördert, ist gleich zwei Mal Vizechef: des CDU-Landesverbands und der Landtagsfraktion. Was die Fraktion angeht, so darf man so viel sagen: Er gehört nicht zum engsten Freundeskreis des Vorsitzenden Peter Hauk. Auch ist er vielleicht nicht der allerengste Vertraute des Landesvorsitzenden Thomas Strobl, doch die beiden rauften sich zusammen, nachdem sich Strobl 2011 nach dem Abgang von Stefan Mappus gegen Mack im Wettstreit um den Landesvorsitz durchgesetzt hatte. Mack leitete daraufhin die Zukunftswerkstatt der Landespartei, die der programmatischen Erneuerung diente.

Das gemeinsam mit Teufel konzipierte Buch indes hebt sich von den Niederungen der Parteipolitik weit ab. Das beweist schon der von Heiner Geißler gestaltete Introitus: „Noch nie in der Weltgeschichte stand die Menschheit vor einer radikaleren Alternative: Entweder wir ändern uns und unsere Zivilisation, oder wir sterben.“ Renommierte Autoren bieten einen instruktiven, tendenziell konservativ gefärbten Überblick über die drängenden Probleme der Zeit – und mögliche Lösungsansätze. Dazu gehören, natürlich, die Finanz- und Staatsschuldenkrise, Fragen der globalen Gerechtigkeit, aber auch Big Data oder das Behördenversagen angesichts der NSU-Morde. Es schreiben renommierte Autoren wie der Finanzwissenschaftler Clemens Fuest, die beiden früheren Verfassungsrichter Paul Kirchhof und Udo di Fabio oder der Hirnforscher Manfred Spitzer. Und Erwin Teufel: „Europa vom Kopf auf die Füße stellen“ ist sein Beitrag überschrieben.