Ohne Erzieher kein Kitaplatz – das ist nicht mehr nur die Erfahrung all derer, die noch eine Betreuung für ihr Kind suchen. Aktuell drohen selbst bestehenden Kindergruppen Einschränkungen der Öffnungszeiten. Vor allem berufstätige Eltern sind betroffen.

Stuttgart - Der Elternabend in der katholischen Tageseinrichtung in Sillenbuch hatte es in sich. Es ging um die Öffnungszeiten. Die Kita solle ab Mitte Februar täglich zweieinhalb Stunden früher schließen, so eine Vertreterin der Kirchenverwaltung. „Wir hätten unsere Kinder dann statt um 16 Uhr schon um 13.30 Uhr abholen müssen“, sagt Elternbeirätin Kristin Bays, „wir waren völlig geschockt.“

 

Zwei volle Stellen in der Betreuung der Sillenbucher Einrichtung seien zurzeit nicht besetzt, die eine krankheitshalber, die andere wegen des grassierenden Erzieherinnenmangels. „Wir konnten im Gespräch mit dem Träger erwirken, dass die Öffnungszeiten wenigstens nur um anderthalb Stunden gekürzt werden, und das erst vom 1. März an“, so Bays. Dass den geschockten Eltern angeboten wurde, kurzfristig ihren Betreuungsvertrag zu kündigen, war für diese nur ein schwacher Trost.

Eltern suchen selbst nach Personal

Unter den Sillenbucher Eltern herrscht Katastrophenstimmung: „Die meisten von uns sind berufstätig und haben keine flexiblen Arbeitszeiten. Wir wissen nicht, wie wir die Randzeiten abdecken sollten“, sagt Elternbeirätin Kristin Bays. Man habe überlegt, eine Notgruppe zu eröffnen, in der Eltern im Wechsel die Betreuung übernehmen könnten. „Man hat uns allerdings gesagt, das sei in den Räumen der Kita aus Haftungsgründen ausgeschlossen“. Kristin Bays ist enttäuscht: „In anderen Kitas hat der Träger den Eltern mehr geholfen.“

Kita-Kompass: Wo ist Platz für die Kleinsten?

Die Eltern haben inzwischen ein Stellenprofil für die gesuchte pädagogische Fachkraft erstellt und eine Stellenausschreibung an mehrerer Onlineportale gegeben. Sie wollen außerdem mit Handzetteln, auf Facebook, in Stadtteilblättern und Elternzeitungen um Kinderkrankenpflegerinnen, Erzieherinnen oder Freiwillige soziale Helfer werben. Das „versteckte Stellenangebot“ auf der Homepage des Trägers sei kaum geeignet, um auf sich aufmerksam zu machen.

Stadt setzt auch Nichtfachkräfte ein

Wie viele Einrichtungen der katholischen Kirche in Stuttgart zurzeit ihre Öffnungszeiten eingeschränkt haben, bleibt vorerst offen. Das Stadtdekanat bat um Geduld, man werde die Frage urlaubsbedingt erst kommende Woche beantworten können. Die evangelische Kirchenpflege bestätigt für ihre Einrichtungen „gelegentliche reduzierte Randzeiten oder auch Gruppen“, wenn dies an einzelnen Tagen krankheitsbedingt nötig sei. „Eine generelle Reduzierung der Öffnungszeiten musste bisher noch nicht vorgenommen werden“, so Jörg Schulze-Gronemeyer, der Abteilungsleiter für Jugend und Soziales .

Beim städtischen Träger gab es im Jahr 2017 nach eigenen Angaben insgesamt 370 Früh- und Spätbetreuungsangebote. „Davon waren 62 in der Regel wegen Personalmangel nicht in Betrieb“, sagt Uli Simon vom Jugendamt. 57 Prozent der Früh- und Spätdienste decke man mit Fachkräften ab. Doch für 43 Prozent der Angebote habe die Stadt eben auch Nichtfachkräfte anwerben müssen, die unter der Obhut einer Erzieherin im Einsatz seien.

Zusatzvereinbarung mit Eltern

Auch Eltern als Betreuer hat es schon gegeben, zumeist an Streiktagen, die in diesem Frühjahr wieder drohen. Die Gewerkschaft Verdi hat anlässlich der bevorstehenden Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst bereits Gehaltssteigerungen in Höhe von sechs Prozent gestellt.

Aber ob nun Streik oder Erzieherinnenmangel: Sollten die Eltern selbst Betreuungszeiten übernehmen wollen, sei dies als „befristete Lösung“ in den städtischen Kitas möglich. Uli Simon vom Jugendamt sagt: „Nach 16 Uhr, also nach Ende der Kernzeit, können wir in den Räumen nicht betriebserlaubnisbedingte Veranstaltungen zulassen. Voraussetzung ist eine Zusatzvereinbarung mit den Eltern, ein entsprechender Versicherungsvertrag mit der Württembergischen Gemeindeversicherung und dass mindestens eine Fachkraft im Einsatz ist.“ Auch Jörg Schulze-Gronemeyer sieht darin lediglich eine Notlösung: „Das war bisher nicht nötig, wäre aber eine Option.“

Auf eine Elternbetreuung in Wechselschicht setzen auch die Sillenbucher Kita-Eltern. Denn es herrsche Konsens, sagt Kristin Bays: „Bisher gab es eine sehr gute Zusammenarbeit und einen großen Zusammenhalt. Alle Erzieherinnen geben ihr Bestes und gehen an ihre Belastungsgrenze, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Selbst die Faschingsfeier für die Kinder hat trotz Unterbesetzung stattgefunden.“

Forderungen und Vorschläge

Mitglieder des Gemeinderats verlangen aktuellere Daten als die vom März des Vorjahres. Die CDU dringt auf eine Übersicht über die Standorte, wo bestehende Kitas wegen des Erzieherinnenmangels nicht bespielt werden können sowie darüber, wie viele Erzieherinnen dort fehlen – und zwar zum Stichtag 1. Januar 2018. Außerdem soll die Verwaltung darlegen, wie stark die Früh- und Spätbetreuungszeiten eingeschränkt sind und besondere Härten für Eltern abgefedert werden können. Die Freien Wähler fordern darüber hinaus Informationen, ob das Bildungskonzept Einstein in der Kita bei derzeitiger Personalknappheit angewandt wird. Die kirchlichen Träger fordern, dass Erzieherinnen in der praxisorientierten Ausbildung (Pia) nicht auf den Stellenschlüssel angerechnet werden. Nur dann könnten sie mehr Interessierte einstellen. Die Johanniter-Unfall-Hilfe lädt angehende Pädagogische Fachkräfte am 8. März zur Besichtigung ihrer Tagesstätten ein. Ein Busshuttle steht für den kostenlosen Transfer zur Verfügung.