An diesem Samstag beginnt das 80. Frühlingsfest auf dem Wasen. Gleichzeitig verkünden zwei Kultveganer ihr Ende. In Stuttgart regiert jetzt die Fleischeslust, bemerkt Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Der gemeine Germane mag ja seine Tiere. Egal, ob gegrillt, gebraten oder geschmort. Immerhin 60 Kilogramm Fleisch verdaut der Durchschnittsdeutsche jedes Jahr, wobei die Statistik keinen Unterschied macht zwischen falschem Filet und saftigem Bürgermeisterstück. Gemessen wird aber, wen der Mensch am liebsten hat. Die einsame Nummer eins, sozusagen das Bayern München der Bundesschnitzelliga, ist das Schwein (28,6 Millionen dieser Paarhufer durften 2016 ihrer Bestimmung nachgehen). Es folgen Hühner, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde. Trotz dieser Vielfalt nimmt die Fleischeslust der Deutschen ab: In den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 wurden nur noch vier Millionen Tonnen totes Tier produziert. Das entspricht einem Minus von 2,1 Prozent, Tendenz weiter sinkend.

 

Doch nun haben hiesige Hipsterspürnasen die Wende eingeläutet. Innerhalb weniger Wochen fielen in Stuttgart zwei wegweisende Pro-Fleisch-Entscheidungen. Erst verkündeten die Kultköche Kathi Bretsch und Roman Herb, dass sie ihr veganes Restaurant Super Jami spätestens Ende des Jahres aufgeben wollen. Damit dürften Bataillone von Veganern mit einem Schlag ihres Gemüses beraubt werden. Kurz darauf proklamierten die Verantwortlichen der städtischen Veranstaltungsgesellschaft In Stuttgart die konsequente Fortsetzung einer Tradition: An diesem Samstag beginnt wieder das „größte Frühlingsfest Europas“. Anstatt den Rummel in seiner 80. Auflage aber altmodisch in ein „First Partytent and Street Food Festival of the world“ mit Tofuhaxen und Sojasprossennuggets zu verwandeln, machen die Wasenjungs voll auf Vintage. Es gibt Schweinshaxen, Göckele und auch eine vegane Spezialität: die Maß Bier zum Sonderpreis von 10,30 Euro. Das sind 40 Cent mehr als vor einem Jahr.

Im Verstecken von Schweinereien sind wir gut

Aber im Verstecken von Schweinereien waren wir Schwaben ja schon immer gut. Erinnert sei nur an die Maultasche, die als Herrgottsbscheißerle selbst an Karfreitag Fleisch enthalten darf. Auch beim Nationalgericht Linsen mit Spätzle deutet der Name keineswegs an, dass ein Paar Saiten unabdingbar ist, um den Teller vollständig zu machen. Und dass eine gute schwäbische Landfrau ihren Zwiebelkuchen mit Speckwürfeln versetzt, ist ebenso selbstverständlich wie die Zugabe von kerniger Brühe in den Kartoffelsalat.

Nur die Kässpätzle bleiben vegetarisch. Das hat sich sogar bis nach Hamburg rumgesprochen, wo die Geschäftsfrau Tatiana Gritsenko einen Online-Foodshop mit regionalen Spezialitäten betreibt. Kunden aus Hessen können Grie Soss bestellen, Rheinländer bekommen Himmel un Ääd aus hanseatischer Herstellung, Bayern dürfen Weißwürstl genießen. Für Schwaben sind Kässpätzle vorgesehen, die aus Joghurt, Haferflocken, kräftigem Bergkäse, Vollei, Butter und Karotten bestehen. Sie sind als vegetarisch ausgewiesen und überzeugen mit einer krossen Konsistenz, die an Frolic erinnert. Kein Wunder: Auch bei dem Produkt aus dem Hause Dogscontainer handelt es sich um Hundefutter.

Irgendjemand muss ja tierfrei leben.