Ein 62-Jähriger hat sich laut der Anklage über Jahre hinweg an der Tochter seiner Frau und einem Kind von Freunden vergangen. Ihm werden vor dem Stuttgarter Landgericht 13 Fälle von zum Teil schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern vorgeworfen.

Esslingen - Während die Staatsanwältin die Anklage gegen den 62-Jährigen verliest, herrscht im Saal 3 des Stuttgarter Landgerichts eine angespannte Stille. Fast scheint es, als hielten die Zuhörer den Atem an angesichts der ungeheuerlichen Taten, die dem Mann aus Esslingen seit Montag vor der 4. Großen Jugendkammer zur Last gelegt werden. Er soll zwei Mädchen – die heute 16 Jahre alte Tochter seiner Lebensgefährtin und die inzwischen achtjährige Tochter eines befreundeten Paares – mehrfach und zum Teil schwer sexuell missbraucht haben.

 

Der Angeklagte soll einige Taten fotografiert und gefilmt haben

Laut der Anklägerin hat sich der Ingenieur vom August 2010 bis zum März 2014 mindestens sechsmal an der Tochter seiner Lebensgefährtin vergangen. Seit 2013 ist er mit der Frau sogar verheiratet, die Scheidung ist jedoch inzwischen eingereicht. In der gemeinsamen Wohnung – im Schlaf-, Kinder- und Badezimmer – sowie in einem Urlaub in Kanada soll der Mann das Kind vaginal, oral und anal missbraucht haben. Das Martyrium des Mädchens habe begonnen, als dieses acht Jahre alt war.

Die Tochter des befreundeten Ehepaars sei bei dem ersten Missbrauchsfall gar erst fünf Jahre alt gewesen, liest die Staatsanwältin vor. Auch an diesem Kind habe er nahezu alle nur erdenklichen Sexualpraktiken ausgeübt oder es gezwungen, diese an ihm zu vollziehen. Zwischen Mai 2016 und August 2017 soll er siebenmal – in seiner Wohnung und im Auto – seinen Sexualtrieb an dem Mädchen ausgelebt haben. Insgesamt wirft ihm die Staatsanwaltschaft Stuttgart neun Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs und vier Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern vor.

Offensichtlich wird es nicht schwer sein, dem 62-Jährigen die Taten nachzuweisen, denn er der Anklage zufolge einige selbst fotografiert oder gefilmt, weshalb er sich zudem wegen der Herstellung kinderpornografischer Schriften verantworten muss. Zum Teil hat er die Missbrauchsfälle in regelrechten Fotoserien mit bis zu 52 Bildern selbst dokumentiert. Seit vergangenen Novembers sitzt er in Untersuchungshaft.

Die beiden mutmaßlichen Opfer sind zum Auftakt der Verhandlung nicht vor Gericht erschienen. Sie werden von ihren Eltern vertreten. Aber nur ein Vater nimmt neben der Nebenklägeranwältin Platz. Der Vater des zweiten Opfers und die beiden Mütter setzen sich in die hinterste Reihe des Gerichtssaals. Sie wollen eine möglichst große räumliche Distanz zu dem Mann auf der Anklagebank wahren, der ihren Kindern laut der Anklage so Schreckliches angetan hat.

Die Richterin empfiehlt ein Geständnis

Im Zuge der Belehrung zu seinen Rechten empfiehlt die Vorsitzende Richterin, Cornelie Eßlinger-Graf, dem 62-Jährigen, ein Geständnis abzulegen. Im Falle der Schuld, lohne sich das stets, „insbesondere beim Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern“. Denn für die jungen Zeuginnen bedeute ein solcher Prozess eine „extreme Belastung“. Mit seinem Aussageverhalten treffe er demnach nicht nur für sich, sondern auch für die Opfer „eine wichtige Entscheidung“.

Wie sich der Mann entschieden hat, bekommen die unbeteiligten Zuhörer im Saal nicht mit. Sein Verteidiger hat beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen, um die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten und der mutmaßlichen Opfer zu schützen. Diesem Antrag hat das Gericht stattgegeben. Die Verhandlung wird fortgesetzt.