Mittlerweile drei Kilometer Aktenbestand beherbergt das Stadtarchiv an seinen Standorten.

Esslingen - Es ist mehr als nur ein Ritual, wenn der Bericht des Esslinger Stadtarchivs im Gemeinderat lang anhaltenden Beifall bekommt. Es ist der Dank der Stadt für eine engagierte Bildungsarbeit, die Joachim Halbekann als oberster Stadtarchivar leitet. Längst geht es nicht mehr nur um das Sammeln von alten Akten, sondern um aktive Wissenschaft, um die Unterstützung von Historikern und Familienforschern, um die Darstellung von historischen Zusammenhängen, die immer wieder wichtige Impulse für das kulturelle Leben der Stadt geben.

 

Im vergangenen Jahr wuchs der Bestand auf 3077 Meter, also gute drei Kilometer. Die Übernahme der Sozialhilfe-Akten war wie in den Jahren zuvor der größte Posten. Der interessanteste Posten war jedoch das Archiv der Esslinger Weingärtner, das bis zum Jahr 1863 zurückreicht und den zeitweiligen Niedergang und den Neuaufstieg der für Esslingen wichtigen Berufsgruppe zeigt.

Wiederum sind wichtige Nachlässe ins Stadtarchiv gelangt. So zum Beispiel die Hinterlassenschaften des Kampffliegers Oscar Bechtle, der faszinierendes Material aus seinen Einsatzgebieten im Ersten Weltkrieg enthält. Eher trockenes Material enthielten die Akten des Bürgerausschusses Sirnau, aber facettenreich war die Registratur des verstorbenen Kulturamtsleiters Peter Kastner, die einen Einblick in sein weit gespanntes Netzwerk gab. Mindestens genauso wichtig wie die Aufnahme von Archivalien ist die Erschließung des Archivgutes, damit es für die Forschung überhaupt genutzt werden kann. Insgesamt 4779 Datensätze wurden neu angelegt, die in Kurzform die Inhalte von Akten und Dokumenten beschreiben.

Besonders wichtig ist hierbei die Erschließung der Foto- und der Postkartensammlung. Zwar wird das Archiv von externen Kräften unterstützt, jedoch hätte sich Joachim Halbekann gewünscht, diese Arbeiten hätten von ausgebildeten Archivaren übernommen werden können.

Finanziell unterstützt wird das Stadtarchiv auch von der Dr.-Fritz-Landenberger- Stiftung. Mit ihren Mitteln wurden 213 Siegel auf mittelalterlichen Urkunden gereinigt und konserviert. Nicht unterstützt wird die Arbeit des Stadtarchivs von der Koordinierungsstelle für die Erhaltung schriftlichen Kulturgutes in Berlin. Dort wurde ein Antrag zur Restaurierung und Digitalisierung von Meldeblättern abgelehnt. Weiter digitalisiert werden auch die Postkarten und die Fotos, schon allein wegen des großen Besucherinteresses.

Abgeschlossen wurde die Archivierung der Bibliothek des Georgii-Gymnasiums. Alle 5473 Titel sind jetzt in einen elektronischen Katalog eingespeist und leicht auffindbar. Stark zurückgegangen ist allerdings die Zahl der Benutzer. Waren es im Jahr 2014 noch 727 Benutzertage, hat sich ihre Zahl im vergangenen Jahr auf 564 verringert. Halbekann sieht die Ursache darin, dass zur Zeit weniger Disserationen mit dem Material des Stadtarchivs geschrieben werden. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mittlerweile viele Anfragen über das Telefon laufen. Hier erreichte das Stadtarchiv einen Höchststand von 528 Personen mit zum Teil für die Angestellten sehr recheaufwendigen Anliegen.

Zwei große Publikationen verzeichnet das Archiv: Die Monografie von Patrick Sturm „Epidemien in den Reichsstädten Esslingen, Schwäbisch Hall und Nördlingen“ sowie „Euthanasie und Zwangssterilisation“ von Gudrun Silberzahn-Jandt.