Nachbarn der geplanten und bereits genehmigten Flüchtlingswohnungen im Stadtteil Zell lehnen den Standort ab. Sie werfen der Verwaltung vor, ihre Befürchtungen und Ängste nicht zu berücksichtigen und ihre Einwände zu ignorieren.

Esslingen - Die Stadt Esslingen hat in der Nähe des Bahnhofs im Stadtteil Zell einen Standort genehmigt, an dem der Landkreis 70 Flüchtlinge unterbringen will. Gegen dieses Vorhaben regt sich heftiger Widerstand von Anwohnern. Sie wollen den Bau von zwei Wohngebäuden auf dem Grundstück an der Robert-Koch-Straße verhindern. Acht von ihnen werden bereits von zwei Rechtsanwälten vertreten. Sie erwägen, notfalls vor Gericht zu ziehen. Die Anlieger werfen der Stadt- und der Kreisverwaltung vor, sie seien im Vorfeld nicht informiert und angehört worden. Zudem würden ihre Befürchtungen und Ängste ignoriert.

 

Eine Anwohnerin, die unserer Redaktion bekannt ist, ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen will, steht zu ihren Vorbehalten gegen eine Unterkunft für Flüchtlinge in der unmittelbaren Nachbarschaft. Sie und ihre Mitstreiter hätten Angst vor zunehmender Kriminalität und einer Einschränkung ihrer Lebensqualität, sagt sie. Aber sie fürchteten auch, durch eventuelle fremdenfeindliche Übergriffe in der direkten Nachbarschaft ebenfalls gefährdet zu werden. Mit dem friedlichen Miteinander in der Siedlung sei es dann vorbei, behauptet sie und schiebt hinterher: „Wenn ich mich täusche, würde mich das sehr freuen.“ Im Übrigen erachte sie die Unterbringung so vieler Menschen auf einem so engen Raum als „unwürdig“.

Anwohner fühlen sich „überrumpelt“

Was sie aber als „geradezu empörend“ empfinde, sei die von ihr angeführte Ignoranz der Esslinger Stadtverwaltung. Die nehme weder die Ängste, noch die Einsprüche der besorgten Anwohner ernst, „unsere Anwälte haben noch nicht einmal Antworten auf ihre Schreiben vom vergangenen November erhalten“, behauptet die Frau. Nun sei, ohne die Betroffenen anzuhören, die Baugenehmigung erteilt worden: „Wir fühlen uns überrumpelt.“

Roland Böhm, der Leiter des Esslinger Baurechtsamts, widerspricht dieser Darstellung. Er betont, dass das Baugenehmigungsverfahren „rechtlich einwandfrei abgelaufen“ sei. Direkt angrenzende Grundstücksbesitzer – in diesem Fall seien das nur eine Privatperson und die Bahn – seien angeschrieben und angehört worden. Insgesamt seien acht baurechtlich relevante Einwendungen eingegangen – auch von Personen, die nicht unmittelbar an dem Grundstück leben. Zwei von ihnen seien durch Rechtsanwälte vertreten. Der Eingang der Einwände sei auch schriftlich bestätigt worden. Die Vorbehalte seien im Zuge des Genehmigungsverfahrens so behandelt worden, wie es das Recht vorsehe. Dabei würden ausschließlich baurechtliche Belange, beispielsweise die Einhaltung des Grenzabstands, behandelt. Ängste oder Befürchtungen seien keine Themen des Baurechts, sagt Roland Böhm.

Unterkunft in der Sporthalle wird aufgegeben

Für die Anhörung der Anwohner sei im Zuge eines Baugenehmigungsverfahrens die Stadtverwaltung zuständig, bestätigt auch Peter Keck, der Sprecher das Landratamts. Könne der Standort an der Bahnlinie mit einer Flüchtlingsunterkunft bebaut werden, werde im Gegenzug die umstrittene Unterkunft in der Sporthalle des Berufschulzentrums Zell (wir berichteten) aufgegeben. Mit der Stadt Esslingen sei vereinbart worden, dass die Sporthalle ab dem Bezugsbeginn des neuen Standorts binnen drei Monaten geräumt werde. Ob die Halle nach dem Rückbau und einer Sanierung wieder genutzt werden kann, oder aber neu gebaut werden muss, sei zurzeit noch ungeklärt, sagt Keck. Aber eine Sanierung der Sporthalle wäre – unabhängig von der derzeitigen Nutzung als Unterkunft – ohnehin notwendig gewesen. Der Landkreis habe sich den Umbau in eine Heimstatt für Asylbewerber 350 000 Euro kosten lassen. Das sei freilich eine „erhebliche Investition“, räumt Keck ein. Aber sie sei mangels Alternativen unabwendbar gewesen.

Keck zufolge geht das Landratsamt davon aus, dass die Unterkunft in Zell, die in Modulbauweise auf unbefristete Zeit errichtet werden soll, im kommenden Dezember bezugsfertig ist. Eine eventuelle Klage der Anwohner könnte diesem Zeitplan freilich einen Strich durch die Rechnung machen, vermutet Keck. Aber auch für dieses Verfahren „wäre zunächst die Stadt Esslingen als Genehmigungsbehörde zuständig“, erklärt der Pressesprecher.

Um den Anwohnern ihre Ängste zu nehmen, würden vor Ort – auch im Stadtteil Zell – Bürgerinformationsveranstaltungen angeboten, erklären Roland Böhm und Peter Keck. Diese würden von der Stadtverwaltung organisiert und vom Landratsamt mitgestaltet.