Die Linke scheitert mit dem Vorstoß, die Sperrzeit für die Außengastronomie zu verkürzen. Die Ratsmehrheit sieht zu viele Nachteile für die Anwohner, die Stadtverwaltung fürchtet um den Kompromiss zwischen Bürgern und Gastronomen.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Es war ein Merian-Heft, das den Begriff der „Mittelmeer-Schwaben“ für die Esslinger Stadtbevölkerung prägte. Doch wie will ein Esslinger dem sommerlichen Savoir-vivre frönen, wenn er damit gegen die Sperrstunde verstößt? Das fragte sich die Fraktion der Linken und beantragte in der jüngsten Sitzung des Verwaltungsausschusses für den Sommer neue Ausschankzeiten: 1 Uhr am Wochenende und 24 Uhr unter der Woche. Gegenwärtig darf man eine Gaststätte nur bis 23 Uhr draußen bewirtschaften.

 

Mehrere Argumente führte der Linke-Sprecher Martin Auerbach dabei ins Feld. Die Zahl der warmen Nächte werde auch in Esslingen durch die Klimaveränderung ansteigen, und damit werde sich auch der Lebensstil ändern. Wenn mehr Menschen abends durch die Stadt flanierten, bedeute das auch mehr Sicherheit. Vor allem werde Esslingen verhindern, dass Kaufkraft nach Stuttgart abfließe, wo es keine Sperrzeitenregelung gebe.

Kompromiss dürfe nicht gefährdet werden

Der Esslinger Ordnungsamtsleiter Gerhard Gorzellik beschwor die Räte, die 23-Uhr-Regelung nicht aufzuweichen, die vor rund 25 Jahren nach einer langen Diskussion mit der Gastronomie und den Bürgern getroffen worden war. Gorzellik hat auch nach Stuttgart geblickt. Dort würden Einzelfall-Entscheidungen gefällt. In der Innenstadt oder in Stadtquartieren, wo niemand mehr wohnt, kann jede Kneipe theoretisch bis 5 Uhr außen bewirtschaften – in Wohn- oder Mischgebieten kann auch die 22- beziehungsweise 23-Uhr-Regelung gelten.

In vergleichbaren Großstädten sieht die Regelung ähnlich aus wie in Esslingen, allerdings ist man am Wochenende meist liberaler. In Pforzheim gilt die 23-Uhr-Regelung, in Konstanz etwa kann man am Wochenende bis 24 Uhr im Biergarten sitzen. Auch in Mannheim geht es am Wochenende bis Mitternacht, ebenso in Ulm. In Heilbronn kann man ebenfalls am Wochenende bis 24 Uhr seinen Wein draußen trinken. In vielerlei Hinsicht eine Ausnahme ist Heidelberg. Dort hatte sich der Streit nicht an der Außenbewirtschaftung, sondern generell an der Sperrstunde entzündet: Zur Zeit schließen die Gaststätten in der Altstadt um 24 Uhr, am Wochenende um 2.30 Uhr. Diese Regelung hatte ein Gericht nach einer Klage der Anwohner festgesetzt, der Heidelberger Gemeinderat hatte sogar noch längere Öffnungszeiten gewollt.

Dass es nicht die Toskana-Fraktionen im Esslinger Rat sind, die den Ton angeben, zeigte die anschließende Debatte: Als mit der DNA einer Wohn- und Kulturstadt nicht vereinbar, argumentierte die SPD etwa. „Auch wir würden im Sommer gerne länger draußen sitzen“, bekannte Jörg Zoller von den Freien Wählern, „aber wir verzichten auf zu viele Vorteile.“

Sperrstunden-Antrag wurde abgelehnt

Der Antrag wurde gegen eine Stimme der Linken abgelehnt. Nichts also mit den langen, lauen Sommerabenden am Neckarstrand. Immerhin scheint es wenigstens eine Esslinger Variante des Dolce Vita am römischen Trevi-Brunnen zu geben. Martin Auerbach sagte, er beobachte als Anlieger des Postmichelbrunnens ab und an Bürger, die um 4 Uhr in heiterer respektive angeheiterter Stimmung im Brunnen baden und sich gegenseitig filmen.