Der stadtbekannte Esslinger Goldschmied Lothar Kuhn gibt Ende des Jahres seinen Laden im Ottilienhof auf und geht in den Ruhestand. „Kuhnstücke“ will er aber weiter fertigen – allerdings nur noch für den privaten Gebrauch.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Eigentlich gibt es keinen Grund aufzuhören.“ Lothar Kuhn lacht. Die Kundschaft sei treu, sein Geschäft „Kuhnstücke“ boome. Oft komme er momentan erst gegen 23 Uhr aus seinem Laden, weil noch so viel zu tun sei. Fünf, vielleicht auch zehn Jahre hätte er also gut noch dranhängen können. Aber letztlich habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass er, mittlerweile 66 Jahre alt, die Zeit, die ihm noch verbleibe, anders nutzen wolle. Fürs Reisen, für Motorradfahren – natürlich aber auch noch für sein lebenslanges Hobby: das Goldschmieden.

 

37 Jahren lang – zunächst im Heppächer 24 und seit 1988 im Ottilienhof in der östlichen Altstadt – hat Lothar Kuhn viele Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zum Strahlen gebracht. Wie viele Schmuckstücke er in dieser Zeit in seiner dem Geschäft angeschlossenen Werkstatt geschaffen hat, kann er nur schätzen: „Aber so knapp 10 000 dürften es schon gewesen sein.“

Alle Mitarbeiterinnen sind versorgt

Jetzt ist also Schluss: Am 28. Dezember schließt der stadtbekannte und hoch engagierte Goldschmied sein Geschäft. Unter anderem ist er vier Jahre lang Sprecher der Cityinitiative Esslingen gewesen und hat sich seit einigen Jahren als Vorsitzender der Podium-Esslingen-Stiftung für das weit über die Stadtgrenzen hinaus strahlende Musikfestival engagiert. Momentan fühle sich die Entscheidung „gut und richtig“ an, sagt er. Wie es dann am letzten Tag sein wird, müsse man sehen.

Was ihn beruhigt: Die fünf Mitarbeiterinnen, allesamt Goldschmiedinnen, sind versorgt. Zwei von ihnen werden im Frühjahr einen eigenen Schmuckladen in der Pliensaustraße aufmachen – und zumindest ein bisschen die Kuhnsche Tradition fortsetzen. Wobei: Werke ihres Chefs werden sie nicht mehr verkaufen, auch wenn Kuhn ankündigt, weiterhin, nun aber ohne Zeitdruck, an goldenen und silbernen Kunstwerken arbeiten zu wollen – das allerdings nur für die eigene Sammlung. Ein bisschen experimentieren will er dabei auch: Alte Techniken möchte Lothar Kuhn ausprobieren, etwa das Granulieren, so wie es einst die Etrusker gemacht haben.

Mit den Musterkoffern durchs Land

Geboren ist Lothar Kuhn in Schwäbisch Gmünd. Dort waren schon sein Großvater und sein Vater als Goldschmied tätig. Sie schickten den jungen Lothar mit Musterkoffern ins Land – und so kam Kuhn erstmals nach Esslingen. Hier hängengeblieben ist er, weil ihm einerseits das Stadtbild gefiel und andererseits, weil es Anfang der 1980er Jahre das Sanierungsgebiet Im Heppächer gab, die Stadt also Baumaßnahmen subventionierte. Das erste dreiviertel Jahr hat sich Kuhn damals als Schreiner, Maurer und Dachdecker betätigt, um aus einem baufälligen Gebäude eine Goldschmiede zu entwickeln. Das war für ihn kein Problem, „denn handwerklich bin ich vielseitig talentiert“, sagt er schmunzelnd.

Der Anfang war dann nicht leicht, und hätte nicht Irene Bechtle, die Frau des Esslinger Verlegers und damaligen IHK-Präsidenten Fritz Bechtle, in seinem Geschäft vorbeigeschaut, wer weiß, ob Kuhn langfristig in Esslingen geblieben wäre. Aber Anfang der 1980er Jahre waren die Neujahrsempfänge der IHK noch ausschließlich Männern vorbehalten – und für die Frauen gab es ein Damenprogramm. In diesem Rahmen durfte Lothar Kuhn dann seine Schmuckstücke präsentieren. Der Anfang war gemacht.

Außenstelle in Santa Barbara

Mittlerweile zählt Kuhn in Esslingen, in der Region und auch darüber hinaus rund 3000 Stammkunden, die immer wieder den Ottilienhof angesteuert haben. Zudem gibt es eine – wie Kuhn es nennt – „Außenstelle“ im kalifornischen Santa Barbara. Ein Goldschmied dort hat auf einem Deutschlandbesuch Kuhns Laden entdeckt und bestellt seither regelmäßig Ware in Esslingen. Das ehrt Kuhn zwar, er selbst hat aber nur in den Anfangsjahren Schmuckstücke hinzugekauft. Seit Jahrzehnten konnte sich die Kundschaft darauf verlassen, dass sie den Ottilienhof mit einem echten „Kuhnstück“ verließen, in das oft auch die Ideen der Käufer mit eingeflossen sind. Im neuen Jahr müssen sich die Kunden nun neu orientieren.