Der Gemeinderat möchte die Zusammenarbeit zwischen dem Rathaus und der Industrie verbessern. Welche Maßnahmen dazu notwendig sind, darüber gehen die Meinungen noch weit auseinander.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Seit drei Monaten ist Marc Grün als Esslinger Wirtschaftsförderer tätig. Zu beneiden ist er um seine Aufgabe nicht. Immer wieder gab es in der Vergangenheit aus der Industrie, aber auch aus dem Gemeinderat Kritik, weil sich die städtische Wirtschaftsförderung zu wenig um mittelständische und kleine Betriebe kümmere. Zudem versteht sich der Ratschef Jürgen Zieger gerne selber als oberster Wirtschaftsförderer der Stadt, was die Arbeit für den eigentlichen Wirtschaftsförderer nicht unbedingt leichter macht.

 

Dazu kommt, dass sich die beiden Vorgänger Grüns nicht mit Ruhm bekleckert haben: Der eine musste gehen, weil er parallel zu seinem Job eine private Beratungsfirma aufbauen wollte, der andere, weil ein von ihm präsentiertes Wirtschaftsförderungskonzept der Verwaltungsspitze und dem Gemeinderat zu dürftig erschien.

Zunächst müssen Altlasten beseitigt werden

Nun muss Marc Grün also zunächst die Altlasten seiner Vorgänger aufarbeiten und dann den Blick möglichst schnell nach vorne werfen. Sein erster Auftritt vor dem Verwaltungsausschuss des Gemeinderats in dieser Woche machte deutlich, dass Grün durchaus ungewöhnliche Wege gehen will.

Zunächst stellte er dem Ausschuss eine Einsparmöglichkeit in Höhe von knapp 400 000 Euro in Aussicht. Denn im Juni hatten die CDU, die Grünen und die FDP im Gemeinderat gefordert, dass die Esslinger Wirtschaftsförderung sich als „mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ mit einem RAL-Gütezeichen zertifizieren lasse solle. Grundsätzlich sei dies zwar möglich, erläuterte Grün den Stadträten. Allerdings halte er diese offizielle Zertifizierung für überflüssig.

Sie bedeute einerseits einen deutlich erhöhten bürokratischen Aufwand: Allein um das Gütesiegel zu bekommen und es dann auch dauerhaft behalten zu können, brauche die Stadt für die Dokumentation der Aktivitäten sechs Vollzeitstellen. Das koste die Stadt jährlich 445 000 Euro zusätzlich.

Andererseits könne er selber zusammen mit allen Akteuren in der Stadt ein viel passgenaueres, konkret auf die Esslinger Situation abgestimmtes System entwickeln, mit dem sich die Arbeit der städtischen Wirtschaftsförderung kontrollieren lasse. Ziel müsse es sein, zwischen der Industrie und der Verwaltung konkrete Ziele zu formulieren. Für die Schaffung solcher Standards sei lediglich eine zusätzliche Kraft sowie jeweils ein Workshop mit Vertretern der Esslinger Wirtschaft und der Fachämter zur Vorbereitung und später zur Auswertung der Umfrage notwendig.

Mit geringen Kosten zu höheren Standards

Den für die Workshops benötigten Aufwand beziffert Marc Grün mit gerade einmal 6000 Euro. Dazu komme eine zusätzliche Stelle. Diese werde aber nicht ausschließlich für die Kontrolle der dann vereinbarten Standards benötigt. Der neue Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin könne durchaus selber Aufgaben in der städtischen Wirtschaftsförderung übernehmen und somit das bisher kleine städtische Zwei-Personen-Team stärken.

Vollkommen überzeugt hat Marc Grün den Verwaltungsausschuss mit seinem Vorschlag noch nicht. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jörn Lingnau bemühte ein Zitat: „Wenn ich etwas verhindern will, finde ich einen Grund. Wenn ich etwas erreichen will, finde ich einen Weg“, und bezweifelte, dass sich mit dem Einsatz von 6000 Euro das gleiche Ergebnis erzielen lasse wie mit 445 000 Euro. Er nehme den Vorschlag mit in die Fraktionsbesprechungen, wünsche sich vor einer Entscheidung aber noch, dass Esslingen einen Experten aus einer Stadt einlade, in der es die RAL-Gütesiegel bereits gebe.

Auch Annette Silberhorn-Hemminger (Freie Wähler) möchte zunächst noch andere Experten hören, ehe eine Entscheidung fällt. Annette Silberhorn-Hemminger: „Für uns steht fest: es muss funktionieren.“ Carmen Tittel hielt Grüns Vorschlag zwar „für einen gangbaren Weg“. Dennoch setzt auch sie zunächst auf externe Expertise. Tittel: „Ich kann ja verstehen, dass die Bereitschaft zur Zertifizierung in der Verwaltung gering ist. Das ist aber noch lange kein Grund, diese Pläne fallenzulassen.“ Im ersten Quartal 2018 soll das Thema nun noch einmal im Verwaltungsausschuss beraten werden.