In der Debatte um den Haushalt geht es traditionell um die großen Linien der Politik. Oppositionsführer Friedrich Merz lässt kein gutes Haar an der Koalition. Bundeskanzler Olaf Scholz hält dagegen.

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Es ist eine harte Auseinandersetzung. Dennoch liegt an diesem Tag im Bundestag ein Hauch von Poesie in der Luft.

 

„Verehrter Herr Merz, als ich Ihnen gerade zugehört habe, musste ich an Alice im Wunderland denken“, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der gerade erst ans Rednerpult gekommen ist. „Was in Wahrheit groß ist, das reden Sie klein, und umgekehrt“, fügt er hinzu. Der Kanzler findet, Friedrich Merz rede „blanken Unsinn“ – und doch ist der Rückgriff auf ein Kinderbuch, das als herausragendes Werk des literarischen Nonsens gilt, eine neckische Art dem CDU-Vorsitzenden Realitätsverzerrung vorzuhalten.

Es ist Haushaltswoche im Bundestag – und in der Debatte über den Etat des Kanzleramts geht es traditionell um die großen politischen Linien. Als Oppositionsführer hat Merz vor der Regierungserklärung des Kanzlers vorgelegt. Dabei hat er eher prosaisch ausgeteilt. Schlechtes Krisenmanagement, mangelnde Geschwindigkeit, Fehlentscheidungen – das sind die Vorwürfe des Unions-Fraktionschefs gegen Scholz und die Ampel.

Kritik an Wirtschaftsminister Habeck

Auf den Angebotsschock auf dem Energiemarkt habe die Bundesregierung nicht konsequent genug mit einer Ausweitung des Angebots reagiert, hat Merz kritisiert. So pfeife Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Atomkraft auf die Expertise der Fachleute. Die Hilfen für die Bevölkerung, um die hohen Preise abzumildern, kämen verspätet.

„Sie können es vielleicht nicht besser. Das ändert sich wahrscheinlich auch nicht“, so das Urteil von Merz. Das Tragische daran sei, „dass die Lage für Millionen von Haushalten und Menschen in diesem Land von Tag zu Tag schwieriger wird“. Auch vielen Unternehmen stehe das Wasser bis zum Hals. Der Kanzler habe die Chance verpasst, die „eine große Rede“ zu halten, mit der die besten Kräfte des Landes hätten mobilisiert werden können. Die, so Merz, auch zu neuer Zuversicht in der Bevölkerung geführt hätte.

Scholz versucht, Merz nicht zu ernst zu nehmen

Olaf Scholz reagiert auf Merz‘ Anwürfe mit viel Lob für die eigene Arbeit – von seinem China-Besuch, der zu einer klaren Äußerung des chinesischen Präsidenten in Sachen Atomwaffen geführt habe, über die Energiepreisbremsen bis hin zum 9-Euro-Ticket. Scholz weist die Kritik des Oppositionschefs scharf zurück. Er kombiniert dies aber – siehe der Alice-im-Wunderland-Vergleich – mit einer Haltung, die versucht, Merz nicht allzu ernst zu nehmen.

Dieser, führt Scholz aus, habe auf dem CDU-Parteitag kürzlich behauptet, nicht die letzten 16 Jahre CDU-geführte Bundesregierung seien das Problem des Landes, sondern die letzten 16 Wochen unter Führung der Ampelkoalition. „Da kann ich nur sagen: ‚Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen’“, spottet der Kanzler. Scholz verschweigt dabei natürlich, dass zwölf der 16 Jahre die SPD mitregiert hat. In der eigenen Fraktion und bei Grünen wie FDP kommt sein Konter gegen Merz gut an.

Ziel ist, die Moral der Koalition zu stärken

Der Kanzler setzt bei seiner Rede an diesem Tag auf eine doppelte Strategie. Dadurch, dass er Merz auflaufen lässt, will er die innere Moral der Ampelkoalition stärken. Zugleich will Scholz das Signal ausgeben, die Menschen könnten sich unter seiner Regierung darauf verlassen, dass sie möglichst gut gegen die Folgen der Krise abgesichert werden. Die Bundesregierung handle und rede nicht nur, betont der Kanzler. Sie schütze die Ärmsten – mit der Reform für das Bürgergeld. Mit der Mindestlohnerhöhung, dem höheren Kindergeld und der Ausweitung des Wohngelds kümmere sie sich aber gerade auch um diejenigen, die für wenig Geld jeden Tag zur Arbeit gingen.

Linken-Fraktionschef: Land nicht gut gerüstet für den Winter

Über die Größendimension der Regierungsleistung bestehen im Bundestag sehr unterschiedliche Vorstellungen. Für die AfD wirft Alice Weidel dem Kanzler „Größenwahn“ vor. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnt, das Land sei überhaupt nicht gut gerüstet für den Winter. „Es droht eine Verarmungswelle über das Land zu rollen.“ Die Regierung biete nur „Wellness für die Wohlhabenden“ an.

Eine Kinderbuch-Replik gibt es schließlich auch noch. „Mir fällt ehrlich bei dieser Bundesregierung nur eins ein: Jim Knopf und der Scheinriese“, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt an den Kanzler gerichtet. „Je näher man Ihrer Bundesregierung kommt, umso kleiner wird sie.“