Die Internetwirtschaft läuft Sturm gegen die neue EU-Norm zur E-Privacy, die den Nutzern mehr Rechte gibt. Einwände kommen auch aus der CDU.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Pläne der Europäischen Union, die elektronische Telekommunikation stärker zu regulieren, stoßen auf massiven Widerstand. Nach Ansicht des Branchenverbands der Digitalwirtschaft Bitkom würde mit der E-Privacy-Verordnung, dem Pendant zur umstrittenen Datenschutz-Grundverordnung, „die Balance zwischen dem Schutz der Privatsphäre und neuen Technologien wieder zerschlagen“. Der Europa-Abgeordnete Axel Voss (CDU), rechtspolitischer Sprecher der größten Fraktion im EU-Parlament, wertet die Verordnung als „schweren Eingriff in die digitalen Märkte“.

 

In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung zum Europäischen Tag des Datenschutzes an diesem Montag warnt Voss: Die Norm sei „viel zu restriktiv“. Sie käme dem „Abschied von der Digitalisierung in Europa“ gleich. Ein Entwurf liegt seit Anfang 2017 vor. Die Verordnung ist noch nicht beschlossen. Sie soll die Vertraulichkeit der Kommunikation via Internet gewährleisten und das Tracking regulieren, was Digitalfirmen erlaubt, Nutzer zu identifizieren. Tracking ist die Voraussetzung für viele Onlinedienste, auch für personalisierte Werbung. Mit der E-Privacy-Verordnung „würde vieles verhindert, was wirtschaftliche Chancen verspricht“, warnt der CDU-Politiker Voss. Die Norm sei „viel zu kompliziert und kaum zu durchschauen“. Er hält die Vorgaben für „unverantwortlich“. Voss sagt: „Wer ein Interesse daran hat, dass so etwas wie Künstliche Intelligenz auch in Europa entwickelt wird, darf nicht alles verbieten, was dazu benötigt würde.“

Verband: Der Teufel steckt im Detail

Der Branchenverband Bitkom warnt: „Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Europa wird damit über viele Wirtschaftszweige hinweg bedroht.“ Das Ansinnen, die rechtlichen Standards in Europa zu harmonisieren sei zwar „durchaus positiv“, so Rebekka Weiß, bei Bitkom zuständig für Datenschutz und Verbraucherrecht, gegenüber der StZ. Viele Einzelvorschriften seien jedoch problematisch. „Da steckt der Teufel im Detail.“ Sie befürchtet wegen der Auflagen für Onlineplattformen, Software-Anbieter und Verlage einen „Verlust an redaktioneller Vielfalt“ im Netz.

Die Dachorganisation Verbraucherzentrale Bundesverband wertet die Kritik als „überzogen“, so der Datenschutz-Experte Florian Glatzner. „Es werden keine Geschäftsmodelle kaputt gemacht, sie müssen allerdings unter Umständen umgestellt werden“, sagt er. Glatzner kritisiert, im Konflikt um die E-Privacy-Verordnung werde „teilweise Lobbyarbeit betrieben, die bedenklich ist“. Er stützt sich dabei auf die Auskünfte der Bundesregierung zu einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Demzufolge gab es in der Angelegenheit 26 Treffen zwischen Regierungsvertretern und einschlägig interessierten Verbänden oder Unternehmen, aber nur acht Gelegenheiten zum Austausch mit Verbraucher- und Datenschützern.