Er stellt einen Countdown ins Netz und alle drehen durch. Man muss es ihm lassen: Jan Böhmermann weiß mit der Schnappatmung der Öffentlichkeit zu spielen.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Stuttgart - Was weiß Jan Böhmermann? Man könnte meinen, alles. Wo das Bernsteinzimmer abgeblieben ist. Wer John F. Kennedy wirklich erschossen hat. Warum wir plötzlich alle wieder Karottenhosen tragen wollen. Und stellt der Satiriker einen Countdown ins Netz und versteckt im Quellcode das Wörtchen „Ibiza“, gehen wir wie selbstverständlich alle davon aus, dass Böhmermann in der „Sache Strache“ noch eine Bombe platzen lässt.

 

Stattdessen gibt es einen Pro-Europa-Song mit Comedians aus anderen EU-Ländern – für die, die das Glück hatten, es zu sehen, bevor die Server von dotheyknowitseurope.eu unter der Last der Zugriffe zusammenbrachen. „Allein sind wir allein“ heißt es im Text: EU-phorie kurz vor der Europawahl am Sonntag. Und – zur großen Enttäuschung vieler – keine neuen Hammer-Enthüllungen aus der Alpenrepublik.

Böhmermann wusste von der Existenz des Ibiza-Videos, bevor „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ es veröffentlichten und damit in der österreichischen Politik ein gewaltiges Beben auslösten. Woher? Es bleibt sein Geheimnis. Doch allein die Tatsache reicht aus: Wir trauen Böhmermann einfach alles zu.

Man muss es sich immer wieder sagen: Böhmermanns Job ist die Satire. Er spielt mit der Daueraufregung im Netz und mit unseren falschen Erwartungen. Er narrt uns – und das, man muss es neidlos eingestehen, virtuos.

Ganz nebenbei nutzt er diese übersteigerte Aufmerksamkeit aber auch, um auf ein Thema hinzuweisen, das wirklich wichtig ist: Am Sonntag ist Europawahl – und statt wie gebannt auf irgendwelche Internet-Countdowns zu starren, sollten wir verdammt noch mal hingehen.