Die Europäische Zentralbank will raus aus dem Krisenmodus. Aber sie lässt sich dafür zu viel Zeit, meint Wirtschaftsredakteurin Barbara Schäder.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Brüssel - Ein großer Schritt für Mario Draghi, ein kleiner Schritt für die Menschheit. Mit dieser Abwandlung der Worte des Astronauten Neil Armstrong bei der ersten Mondlandung lässt sich die jüngste Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) charakterisieren. Denn passiert ist eigentlich so gut wie nichts.

 

Die EZB hat die Option, die rekordniedrigen Leitzinsen noch einmal zu senken, offiziell fallen lassen. Da ohnehin niemand damit rechnete, dass sie von dieser Option Gebrauch machen würde, ist das eigentlich eine reine Formalie – eigentlich. Denn die EZB hat sich so lange geziert, dass diesem Schritt eben doch Signalwirkung zukommt.

Eine echte Normalisierung der Geldpolitik und damit auch der Zinsen lässt auf sich warten

EZB-Präsident Mario Draghi begründete die neue Formulierung damit, dass die Gefahr einer Deflation endgültig vorüber sei. Diese Feststellung ist überfällig. Dass sie allerdings ausgerechnet an dem Tag erfolgt, an dem die EZB ihre offizielle Inflationsprognose senkt, macht die Sache nicht besonders glaubwürdig.

Vielmehr spricht alles dafür, dass angesichts der guten Konjunktur auch innerhalb der Notenbank die Rufe nach einem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik lauter werden. Mit dem offiziellen Verzicht auf weitere Zinssenkungen sind die Unterstützer Draghis den Kritikern ein winziges Stück entgegengekommen.

Auf eine echte Normalisierung der Geldpolitik und damit auch der Zinsen werden wir noch lange warten müssen. Denn selbst wenn die EZB, wie die meisten Beobachter vermuten, im nächsten Jahr ihre Anleihekäufe reduziert – bis zu deren endgültiger Einstellung werden Monate vergehen. Die Leitzinsen will die Notenbank noch später anheben, nicht einmal eine Abschaffung der umstrittenen Strafzinsen ist in Sichtweite.

Natürlich muss die EZB behutsam vorgehen. Plötzliche Zinserhöhungen wären für die Investitionsplanung von Unternehmern wie Verbrauchern fatal. Doch wäre es durchaus möglich gewesen, einen Zeitplan etwa für das Abschmelzen der Anleihekäufe schon jetzt bekannt zu geben. Schließlich ist auch Abwarten riskant: Sollte sich die Konjunktur wieder verschlechtern, schafft die EZB den Absprung am Ende gar nicht mehr.