Der künftige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will einen höheren Frauenanteil in der neuen Kommission. Doch bei vielen Staaten trifft er auf taube Ohren.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Während andere Urlaub machen, sitzt Jean-Claude Juncker in seinem neuen Büro im EU-Kommissionsgebäude. Dort bastelt der zukünftige Chef an der Aufstellung seiner Regierungsmannschaft, die im November ihre fünfjährige Amtszeit antreten soll. Der 59-Jährige ist „in ständigem Kontakt mit den Regierungen in den EU-Hauptstädten“, sagt seine Sprecherin. Dabei muss Juncker unzählige Hürden umschiffen. Denn Juncker kann sein Team nicht nach eigenen Vorstellungen, sondern nur auf Basis der Vorschläge der EU-Staaten aufstellen. Diese enthalten eine Menge Konfliktstoff.

 

Zudem hat sich Juncker selbst ein Ziel gesetzt: der künftige EU-Kommissionspräsident will einen höheren Frauenanteil in der neuen Kommission. „Er arbeitet nach wie vor daran, die Zahl weiter zu steigern“, sagte Junckers Sprecherin in Brüssel. Laut der Liste der Kandidaten, die die EU-Staaten vorgeschlagen haben, könnten derzeit maximal acht Frauen in dem neuen Gremium sitzen – eine weniger als in der jetzigen EU-Behörde mit 9 von 28 Mitgliedern. Junckers Ziel sei eine „bedeutende Anzahl von sehr kompetenten weiblichen Mitgliedern“, betonte seine Sprecherin.

Zwist um die Kandidatin aus Italien

Es ist also sicher ein Vorteil eine Frau zu sein, doch reicht dieses Kriterium für die Nominierung nicht aus. So nominierte Italien trotz erheblichen Widerstands aus vielen EU-Staaten seine Außenministerin Federica Mogherini für den Posten der EU-Chefdiplomatin. Schon beim letzten EU-Gipfel Mitte Juli scheiterte Italiens Premier Matteo Renzi mit dieser Personalie. Die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite brachte die Ablehnung vieler Osteuropäer auf den Punkt: „Wir brauchen jemanden, der Erfahrung in der Außenpolitik hat und der vor allem nicht für den Kreml ist“, lautete ihre resolute Ansage. Denn die 41-Jährige Mogherini gilt als unerfahren und zu russlandfreundlich – ein Unding mitten in der Ukraine-Krise, in der die Europäische Union Russland mit immer neuen Sanktionen belegt.

Bislang haben sechs EU-Staaten Frauen für die 27 noch zu vergebenden Posten offiziell nominiert. Falls Belgien und Dänemark, deren Kandidaten bisher nicht bekannt sind, sich auch für Frauen entscheiden, könnte die Zahl auf acht klettern.

Das Gremium braucht mehr Frauen

Juncker merkt, dass er sich mit seinem Anspruch selbst unter Druck gesetzt hat. Bereits Anfang Juli hatte er die Mitgliedsländer aufgerufen, mehr Frauen in die Brüsseler Chefetage zu entsenden. Junckers Sprecherin hatte vergangene Woche davor gewarnt, dass sich die Bildung der neuen EU-Kommission verzögern könnte, weil zu wenig Frauen für das Gremium nominiert wurden.