Auf den Spuren vergessener Künstlerinnen ist die Stuttgarter Choreografin Eva Baumann auf Anni Albers gestoßen. Die Bauhaus-Künstlerin steht für ein Studium, in dem Männer lange den Ton angaben.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Einen Pulli stricken, eine Mütze häkeln: jeder, der privat oder unter fachlicher Anleitung in der Schule ein solches Projekt in Angriff genommen hat, weiß, wie viel Zeit in simplen Dingen stecken kann. Sechs Stunden für eine Performance, wie sie die Stuttgarter Choreografin und Tänzerin Eva Baumann noch bis zum 20. Oktober der Künstlerin Anni Albers widmet, sind da ein Klacks.

 

In Eva Baumanns Reihe, die sich der Rezeption weiblicher Künstlerinnen widmet, ist die Bauhaus-Frau die sicherlich am wenigsten vergessene Künstlerin; die Weberin und Textilkünstlerin ist in Museen und Ausstellungen durchaus präsent. Doch wer am ersten Tag Eva Baumann ein Stück weit durch ihre Performance „interlaced“ begleitete, hat schnell verstanden, warum ihre Wahl auf Anni Albers fiel. Würfelartige Konstruktionen aus Holzlatten und Seilen, an Webrahmen erinnernde Fadengeflechte, schwere Taustücke werden da bespielt, die an Anni Albers Experimente und Projekte am Black Mountain Collage erinnern. Mit Geduld und körperlicher Verrenkungskunst sortiert die Performerin Fäden, wirbelt Muster in den Raum, dreht Seile zu Expandern auf, macht tanzend Taue zum Zauberstock. Eva Baumann arbeitet sich in einer meditativen Performance-Installation unterm Dach des Alten Schlosses am Material ab, um sich und ihren Gästen dessen Materialität zu erschließen – und zeigt nebenbei aber auch die Anstrengung, die in dieser Auseinandersetzung steckt.

Vortrag von Ulrike Müller über Bauhaus-Frauen

Dieses – wie der Titel sagt – „verschlungene“ Spiel mit Widerständen findet einen Spiegel, wenn man einen Blick auf Anni Albers Biografie wirft. Zulassungen für eine Kunstakademie waren 1919, als Annelise Fleischmann (wie sie vor der Heirat mit Josef Albers hieß) in Dresden an der Akademie für Malerei ankommen wollte, nicht selbstverständlich. So landete die junge Künstlerin erst in Hamburg an der Kunstgewerbeschule, später am Bauhaus, das in Sachen Emanzipation kein Vorzeige-Institut war, in der Klasse für Weberei.

Wer mehr über die Frauen am Bauhaus wissen will, ist am 17. Oktober richtig bei „interlaced“. Dann spricht Ulrike Müller über die Künstlerinnen am Bauhaus, ihr Vortrag beginnt um 19 Uhr und trägt den Titel „Und nun tanzen Sie die Farbe Blau“.

Eva Baumann zeigt ihre Performance bis zum 20. Oktober jeweils von 16 bis 22 Uhr. Einlass und Wiedereinlass ist jeweils bis eine Stunde vor Vorstellungsende.