Mit einer Studie wollte die evangelische Landeskirche in Württemberg herausfinden, weshalb sie Mitglieder verliert. Demnach liegt es nicht nur an der Kirchensteuer.

Stuttgart - Innere Distanz zum Glauben und die Kirchensteuer sind häufig genannte Motive für einen Austritt aus der evangelischen Kirche. Das hat eine Studie der württembergischen und der westfälischen Landeskirche ergeben. Die meisten Befragten hätten allerdings keinen konkreten Anlass für ihren Austritt genannt, teilte die Evangelische Landeskirche in Württemberg am Mittwoch in Stuttgart mit.

 

Für die Studie wurden seit Oktober 2020 insgesamt 464 Telefoninterviews mit Menschen geführt, die im Vormonat ausgetreten waren. 61 Prozent der kontaktierten Personen waren zu einem Interview für die Studie bereit.

Hohe Erwartungen an die Kirche

Erwartungen an die Kirche seien in der Corona-Zeit deutlich zu Tage getreten, sagte der württembergische Landesbischof Frank Otfried July. Dies gelte für Bereiche, in denen sie unvertretbar und unersetzbar sei, etwa „bei der Seelsorge, beim Kümmern um Einsame, in der Gemeinschaft im Gottesdienst, in der Diakonie, die handelt und tröstet“. Er wies aber auch darauf hin, dass viele ihre Relevanz für das eigene Leben in Frage stellen würden.

Nach der Studie spielt das Handeln der Kirche fast ausschließlich für Menschen ab 40 Jahren eine Rolle, wenn sie überlegten, aus der Kirche auszutreten. Für jüngere Befragte seien es vor allem der Glaubensverlust und die Nutzen-Abwägung, die den Kirchenaustritt bewirkten. Die meisten Befragten würden keinen konkreten Anlass für ihren Austritt nennen, sagte Fabian Peters, der in der Landeskirche für Statistik zuständig ist. „Vielmehr erscheint er als Ergebnis eines längeren Prozesses beziehungsweis als Konsequenz aus grundsätzlichen Motiven“, sagte Peters. Führten Befragte einen konkreten Anlass an, handele es sich meistens um ein aktuelles Thema wie etwa den Missbrauch oder das Flüchtlingsschiff.

Austritt als Folge von Entfremdung

Oft sei der Austritt aber das Ergebnis einer längeren Entfremdung. Die Mitgliedschaft in der Kirche sei dann nur noch passiv gewesen. Einer der Befragten habe gesagt: „Für mich ist es mit der Kirche wie mit einem Fitness-Studio, für das ich Beitrag zahle, aber nie hingehe.“ Ein erfreuliches Ergebnis sei, dass die Kirche auch für viele Ausgetretene wichtig bleibe.

Die Mitgliederzahl der Evangelischen Kirche von Württemberg ist 2020 gegenüber dem Vorjahr um 2,2 Prozent auf etwa 1,914 Millionen Menschen gesunken. Der größte Faktor waren dabei die Todesfälle (29 237), sie stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 4,3 Prozent. Dagegen sank die Zahl der Kirchenaustritte: 20 593 Menschen traten aus der württembergischen Landeskirche aus - 14 Prozent weniger als 2019.