Nach dem verpassten Wiederaufstieg steht Trainer Hannes Wolf beim Hamburger SV vor der Entlassung– und der HSV vor einem finanziellen Kraftakt.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart/Hamburg - Auch das noch. Als wäre alles noch nicht schlimm genug für den Hamburger SV, seine Verantwortlichen und den Noch-Trainer Hannes Wolf, kam einen Tag nach dem verpatzten Wiederaufstieg auch noch Klaus-Michael Kühne ums Eck. Die Botschaft, die der Investor am Montagmittag per Mail an die Medienhäuser der Hansestadt verschickte, war an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Der Tenor: Ich hab’s schon immer gewusst – und: Ich hab’ ja alles kommen sehen.

 

Milliardär Kühne, der 20,57 Prozent der Anteile an der HSV Fußball AG hält, schrieb also am Tag nach dem desaströsen 1:4 beim SC Paderborn dies: „Ich habe Aufsichtsrat und Vorstand der HSV Fußball AG sowie den Präsidenten des Hamburger Sportverein e.V. am 26. Februar schriftlich empfohlen, den Trainer auszuwechseln, weil sich mit dem bei Jahn Regensburg verlorenen Spiel der Niedergang für mich abzeichnete und er durch falsche Entscheidungen des Trainers gekennzeichnet war.“

Als Kühne auf den Knopf drückte und seine Mail sendete, stand besagter Trainer in Hamburg auf dem Trainingsplatz und musste sich von einem Fan als „Versager“ beschimpfen lassen. Wolf führte hinterher noch ein langes Einzelgespräch mit seinem Routinier Aaron Hunt – dem Vernehmen nach dürfte es eines der letzten des ehemaligen VfB-Trainers in Diensten des HSV gewesen sein. Denn nach den Treueschwüren von Clubboss Bernd Hoffmann und Manager Ralf Becker vor zehn Tagen hat sich der Wind für Wolf nach den jüngsten desaströsen Auftritten gedreht. Der Coach scheint unmittelbar vor dem Aus zu stehen – es spricht vieles dafür, dass Wolf nach dem letzten Saisonspiel an diesem Sonntag gegen den MSV Duisburg seinen Hut nehmen muss. Dass Hoffmann und Becker also das tun, was Mäzen Kühne schon im Februar forderte.

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Warum das so ist, liegt auf der Hand. Da ist zum einen der verpasste Wiederaufstieg, klar. Wäre aber in den vergangenen Wochen irgendeine positive Entwicklung unter Wolf zu sehen gewesen, wäre der HSV unglücklich gescheitert – Becker und Hoffmann würden ihren Daumen nicht senken. Wolf und sein Team aber gaben ein so desaströses Bild ab, dass der Coach wohl nicht mehr tragbar ist.

Klar ist: Wolf kann nichts dafür, dass er personelle Altlasten wie Lewis Holtby im Kader hatte. Dass es in der recht jungen Mannschaft, die er im Oktober von Vorgänger Christian Titz übernahm, keine Führungsspieler gibt, die das Schiff auch bei Gegenwind auf Kurs halten. Hannes Wolf selbst aber machte auch eklatante Fehler. So lag er in den vergangenen Wochen mit seinen Aus- und Einwechslungen meist deftig daneben – ebenso wie bei der Taktik. Defensive Ausrichtungen gegen defensive Gegner, dazu gab es zuletzt verzweifelte Personalrochaden, die alles nur noch schlimmer machten – all das ist Wolf anzukreiden.

Allerdings müssen sich auch die HSV-Bosse Vorwürfe gefallen lassen. Der Fehlentwicklung der vergangenen Monate haben sie tatenlos zugesehen, immer in der Hoffnung, dass die angeblich so hohe Qualität im Kader am Ende schon reichen wird. Auch die ohne Not geäußerten Jobgarantien für Wolf entpuppten sich in der peinlichen Rückrunde mit bisher 16 Punkten als Fehler.

Der ehemalige Bundesliga-Dino steht nun vor einem Scherbenhaufen, sportlich und finanziell. „Unser Ziel ist es, im nächsten Jahr aufzusteigen“, sagt Ralf Becker – der HSV wird seine zweite Zweitligasaison aber unter erschwerten Bedingungen angehen.

Eigentlich wollte Clubchef Hoffmann mit dem sofortigen Wiederaufstieg die Gesundung des mit rund 85 Millionen Euro verschuldeten HSV forcieren. Stattdessen nun wird der 29-Millionen-Etat heruntergefahren werden müssen, die TV-Vermarktung wirft in der nächsten Spielzeit obendrein rund 14 Millionen Euro weniger ab, der Hauptsponsor springt vielleicht ab, für die Verpflichtung gestandener Profis fehlt es also an Geld. Und wahrscheinlich wird auch bald noch ein weiterer Kostenfaktor hinzukommen – die Abfindung für Hannes Wolf, dessen Vertrag bis Juli 2020 läuft.