Niklas Weihing aus Korntal-Münchingen hat sich mit einer ungewöhnlichen Geschäftsidee selbstständig gemacht.

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Korntal-Münchingen. - Kurzarbeit, Kündigungen, weniger Aufträge: Die Pandemie hat mehrere Branchen hart getroffen und vielen Arbeitnehmern ein Loch in die Haushaltskasse gerissen. In diesen Zeiten spielen daher auch einige mit dem Gedanken, sich beruflich neu zu orientieren, die das vorher nicht in Erwägung gezogen haben. So mancher wagt sogar den Schritt der Existenzgründung. So wie Niklas Weihing, ein junger Mann aus Korntal-Münchingen, der sich mit einer ungewöhnlichen Geschäftsidee selbstständig gemacht hat.

 

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Spektakuläre Aufnahmen aus der Luft und besondere Ein- und Aussichten, das sind die Spezialität des 24-jährigen Drohnenpiloten, der im vergangenen Januar seine Firma 07Aerials gegründet hat. Mit seinen Videosequenzen und Fotos liefert er Material für Werbespots und Marketingfilme. Zur Drohnenfliegerei ist Niklas Weihing über einen Kumpel gekommen. „Das Produzieren von Videos finde ich schon seit Längerem interessant“, sagt er. Doch zunächst war das Filmen mit den kleinen Flugobjekten nur ein Hobby, eine Spielerei. Die Pandemie hat das geändert.

Zwar konnte der 24-Jährige im vergangenen Sommer seine Ausbildung zum technischen Produktdesigner noch abschließen. Der Betrieb, der als Folge der Pandemie in die Kurzarbeit wechseln musste, konnte den jungen Mann aus Korntal-Münchingen allerdings aus wirtschaftlichen Gründen nicht übernehmen. Um sich dennoch finanziell über Wasser zu halten, begann Weihing im vergangenen Jahr damit, sich mit den Drohnenvideos einen Nebenerwerb aufzubauen. Schließlich entschied er sich dafür, sich für einen Gründungszuschuss zu bewerben.

Auf einen Trend aufgesprungen

Der 24-Jährige springt dabei auf einen Trend auf. Er nutzt sogenannte FPV-Modelle. Dabei wird die Drohne mit einer Videobrille oder einem Monitor geflogen. Eine Kamera hilft dem Piloten dabei, aus der Perspektive des Modells zu steuern. Diese Technik ermöglicht besonders schnelle und agile Aufnahmen. „Sie kommt schon jetzt bei fast jeder fünften Autowerbung zum Einsatz“, sagt Weihing. Sturzflüge, das Durchfliegen von Fenstern und Luken, enge Kreise in der Luft und andere besondere Flugmanöver sind kein Problem. „Die Möglichkeiten sind fast endlos“, schwärmt der 24-Jährige.

Besonders gefragt sind seine Filmsequenzen in der Automobilindustrie und der Immobilienbranche. Aber aufgrund der Pandemie setzen auch viele kleine Firmen zunehmend auf digitale Formate, um ihre Produkte und Dienstleistungen vorzustellen.

Derzeit nimmt Niklas Weihing ausschließlich Aufträge von Videofirmen entgegen, die seine Aufnahmen zu fertigen Filmen für ihre Kunden weiterverarbeiten. Zukünftig möchte er aber seine Fähigkeiten im Videoschnitt verbessern, um sein Rohmaterial auch selbst bearbeiten zu können. Fünf bis sechs Drohnen hat er im Repertoire, um die unterschiedlichsten Kameras einsetzen und verschiedene Anwendungsgebiete abdecken zu können.

Mehr als bloße Fotos aus der Luft

An seinem Beruf macht dem 24-Jährigen natürlich das Fliegen sehr viel Spaß, aber auch die Tatsache, dass er die Kundenerwartungen oft übertreffen kann. „Viele denken, es sind nur Fotos aus der Luft, und sind dann begeistert, wenn sie merken, dass es viel mehr ist“, sagt er. Obwohl er die Entscheidung für die Selbstständigkeit nicht ohne Zweifel getroffen hat und eine eigene Firma nicht sein Plan A war, ist er nun froh, dass er sein Hobby zum Beruf gemacht hat.

Für das vergangene Jahr liegen der Industrie- und Handelskammer noch keine Statistiken vor, was die Zahl der Existenzgründungen insgesamt angeht. Im Landkreis Böblingen können die IHK-Beraterinnen aber einen Anstieg an Anfragen von Gründungswilligen ausmachen. „Einige davon haben während der Pandemie ihre Arbeit verloren und ergreifen nun die Chance, sich selbstständig zu machen“, sagt Marion Oker, Leitende Geschäftsführerin der Bezirkskammer Böblingen, gegenüber unserer Zeitung. Andere wiederum hat die Erfahrung der vergangenen beiden Jahre zum Umdenken gebracht. „Sie wollten endlich ihren Traum zum Beruf machen, kündigten und wurden selbstständig.“

Andere Geschäftsmodelle in der Pandemie

Viele Geschäftsmodelle, zum Beispiel im Einzelhandel, sind nicht mehr ausschließlich analog. Weil die Gründer weitere Kontaktbeschränkungen einkalkulieren, haben sie Geschäftsprozesse digitalisiert und unter anderem Onlineshops aufgebaut. Die Pandemie brachte jedoch eine Erschwernis: „Gründenden fehlte es, sich auszutauschen und in Kontakt mit anderen in ähnlicher Situation zu kommen“, gibt Oker zu bedenken. Das wichtige Netzwerken sei in einer solcher Situation nur schwer möglich.

Im IHK-Bereich Ludwigsburg stellte die Bezirkskammer eine verringerte Nachfrage nach Beratungen fest. Das gilt allerdings nur für Gründungen im Haupterwerb. Im Jahr 2020 gab es 2324 Nebenerwerbs-Gründungen im Kreis Ludwigsburg, bedingt durch vermehrte Kurzarbeit während der Pandemie. „Damit lagen wir vorne in der Region Stuttgart“, sagt Reiner Boucsein, der stellvertretende Geschäftsführer der Bezirkskammer Ludwigsburg.