Beim Medienpolitischen Kongress der Landesregierung gab es mehr als Jammern, Klagen oder Eigenwerbung zu hören. In einer der Diskussionsrunden debattierten Experten etwa, wie Qualitätsjournalismus und Quote zusammenhängen.

Stuttgart - Tiere gehen immer. Aber was machen Journalisten eigentlich, wenn das Facebook-Video über ein verletztes Eichhörnchen mal wieder mehr Aufmerksamkeit erzielt als der ausführlich recherchierte Artikel über den Brexit? „Auch wir müssen nach dem Leserinteresse entscheiden. Qualität bringt nichts, wenn sie keine Leser findet“, sagt Joachim Dorfs, Chefredakteur der „Stuttgarter Zeitung“, auf dem medienpolitischen Kongress „Source“. Dennoch gebe es journalistische Qualitätskriterien wie beispielsweise Relevanz und Quellenprüfung, denen man bei der Berichterstattung folge.

 

Facebook und die Fakten

Marie-Teresa Weber von Facebook sieht das ähnlich: „Diese Qualitätsregeln gelten auch für uns.“ Dennoch steht das Unternehmen immer wieder öffentlich in der Kritik, was seinen Umgang mit Hass- und Hetzkommentaren sowie falschen Inhalten angeht. Marie-Teresa Weber wehrt ab: „Wir arbeiten in Deutschland mit Faktencheckern zusammen, die Inhalte auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Faktisch Falsches wird auch so gekennzeichnet.“ Jeden Beitrag könne man auf diese Weise aber nicht überprüfen: „Wir können nicht alles vorher checken, was die Menschen auf der ganzen Welt posten.“

Dennoch sei der Kampf gegen Hetze und Fake News für Facebook nicht nur ideell, sondern auch ökonomisch zentral: „Für unser Geschäft ist es nicht gut, wenn sich solche Inhalte bei uns breitmachen. Dann bleiben uns zuerst die Werbekunden und langfristig auch die Nutzer weg.“ Die klassischen Medien sehen sich allerdings einer Übermacht an Inhalten gegenüber, die in den sozialen Netzwerken schnell verbreitet und kaum überprüft werden. „Sorgfältig recherchieren heißt immer: Zeitverlust gegenüber den digitalen Medien, die schnell etwas raushauen und später dann korrigieren können“, sagt Andreas Barner, Aufsichtsratsvorsitzender der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Dennoch gebe es nach wie vor einen hohen Qualitätsanspruch im deutschen Journalismus.

Nicht von Daten getrieben

Auch Joachim Dorfs will sich nicht von den Klickzahlen treiben lassen: „Wir brauchen die Quote, um Werbeeinnahmen und Digitalabos zu generieren. Aber wir sind nicht datengetrieben, wir sind nur datenorientiert.“ Auch Themen, die nur ein kleines Publikum ansprächen, fänden ihren Platz – wenn sie journalistisch relevant seien. „Dafür nehmen wir auch in Kauf, dass die Website mal nicht so gut besucht ist“, sagt Dorfs.

Obwohl Netflix streng genommen nicht als journalistische Plattform gilt, sieht sich auch Unternehmenssprecher Wolf Osthaus ähnlichen Herausforderungen gegenüber: „Wir entwickeln unsere Formate nicht mehr, um eine möglichst breite Masse anzusprechen. Wir wollen für den einzelnen relevant sein.“ Sein Erfolgsrezept definiert er so: „Man muss seine Kunden kennen.“ Bei ihm ist das quotenträchtige verletzte Eichhörnchen der Thriller: „Nur weil Thriller für viele attraktiv sind, bieten wir dem Zuschauer nicht nur dieses Genre an. Wir setzen gezielt auf Querschläger.“ Damit meint er kleine Formate, die auch mal nur Einzelinteressen befriedigen. Denn: „Wenn einem das Angebot richtig gut gefällt, sind die Leute auch bereit zu zahlen – wie im Journalismus. Um hier eine gute Mischung hinzubekommen – da können wir voneinander lernen.“