Expertin für Firmendeals Die Frau, die Übernahmen einfädelt

Deutschland steht bei chinesischen Investoren in Europa an erster Stelle – nicht nur wegen des technologischen Know-hows. Was sonst noch dahinter steckt, sagt Yi Sun, Expertin für deutsch-chinesische Deals.
Stuttgart - Kaum ein Monat vergeht, ohne dass ein chinesischer Investor hier zu Lande einen Deal abschließt. Erst im September wurde beispielsweise der Verkauf von Bosch Mahle Turbosystems (BMTS), einer gemeinsamen Tochter der Autozulieferer Bosch und Mahle, nach China vereinbart. Allein im ersten Halbjahr 2017 haben chinesische Unternehmen rund 6,5 Milliarden Dollar (gut 5,4 Milliarden Euro) in Deutschland investiert und 25 Firmenkäufe getätigt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als es fast 8,8 Milliarden Euro und 35 Zukäufe waren, ist die Einkaufslust zwar etwas gedämpft, doch ungebrochen. Mit Branchen wie dem Maschinenbau, der Automobilzuliefer-, Chemie- und Pharmaindustrie und vielen Weltmarktführern steht Deutschland bei chinesischen Investoren hoch im Kurs.
„Chinesische Unternehmen möchten nicht nur eine verlängerte Werkbank sein, sondern eigene Produkte und Brands haben. Vor allem Zukunftstechnologien stehen im Fokus“, beschreibt es Yi Sun. Die 42-jährige Chinesin berät seit gut zwölf Jahren deutsche und chinesische Unternehmen bei Transaktionen sowie der Standortwahl. Seit drei Jahren ist sie zudem Partnerin der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY und leitet dort das China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz. Sie weiß worauf es ankommt, ist gut vernetzt, kennt beide Kulturen. „Es gibt Ähnlichkeiten zwischen den beiden Nationen. Beide sind sehr fleißig und zielstrebig“, sagt die Frau, die viele Deals eingefädelt hat. Über konkrete Fälle spricht Yi Sun nicht, doch ihr Team sei in 70 bis 80 Prozent aller großen mittelständischen Investitionen durch chinesische Firmen involviert, sagt sie.
Jede Woche mindestens eine Anfrage aus China
Sie pendelt oft zwischen China und Deutschland. Bei kurzfristigen Projektanfragen kommt es schon mal vor, dass sie sich binnen drei Stunden für ein Projekt entscheidet, schon am nächsten Tag im Flieger nach China sitzt, und privat mal wieder umdisponiert. Die Frau ist gefragt, deutsche Unternehmen auch.
„Jede Woche bekomme ich mindestens eine Anfrage aus China“, sagt Yi Sun – mit ganz konkreten Wünschen nach Branche, Firmengröße, Produktionsstandorten und Kunden. Da kommt dann ihre langjährige Erfahrung ins Spiel. Bei Familienunternehmen wisse in der Regel keiner, ob sie zum Verkauf stünden. „Ich kann ja nicht einfach zum Hörer greifen, den Eigentümer anrufen und sagen: Ich habe da einen tollen chinesischen Investor, der ihre Firma kaufen möchte. Da wird jeder Nein sagen“, beschreibt sie es. Der erste Anruf sei aber entscheidend, um ein persönliches Treffen zu organisieren. Es funktioniert auch umgekehrt. Auch deutsche Unternehmen kommen auf sie zu auf der Suche nach einem Partner in China.
Das Image vom Angstgegner China gehört offenbar früheren Zeiten an, zumindest bei Management und Mitarbeitern, wie etliche Beispiele zeigen, darunter auch Firmen wie Putzmeister, die Dürr-Tochter Ecoclean oder die Bosch-Sparte Starter und Generatoren. Bei der Bosch-Tochter haben im Frühjahr diesen Jahres sogar über 95 Prozent der Mitarbeiter für den Verkauf nach China votiert. Bei vielen Mitarbeitern sind US-Investoren mittlerweile mehr gefürchtet, weil die oftmals Firmen umkrempeln, Jobs streichen, schnell rein und wieder raus sind.
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