Mit der zweiten Staffel stößt „Ozark“ bei Netflix in eine ganz neue Liga vor. Die Geschäfte smarter Bürger mit Hinterwäldlern, Gangstern und Politikern eskalieren immer weiter.

Stuttgart - Im Drogengeschäft ist nicht jeder Tag Krawattentag. Aber ein paar Formalien des Umgangs miteinander sollte man schon einhalten. Man sollte zum Beispiel nicht im Zuge einer tiefgreifenden Meinungsverschiedenheit den Abgesandten eines Drogenkartells umbringen. Die Figuren der Netflix-Serie „Ozark“ haben aber genau das am Ende der ersten Staffel getan. Nun wäre es eher schwierig für sie, unter voller Offenlegung ihrer Situation eine Lebensversicherung mit zahlbaren Raten angeboten zu bekommen.

 

„Ozark“ war schon in der ersten Staffel ein Krimi über die moralische Kernfäule der USA in der Ära Trump, das Sittengemälde einer seltsamen Allianz aus rohen Hinterwäldlern und aalglatten Städtern. Allesamt betreiben sie eine egomanische Profitmaximierung ohne Rücksicht auf Recht, Gesetz und Gesellschaft, fühlen sich dabei aber doch als gute Bürger. Nur war die erste Staffel von „Ozark“ mit ein paar Ungeschicklichkeiten behaftet, sie war ein braver Karrengaul, der seinen Geschichtenkarren zog. Die zweite Staffel jedoch schnalzt los wie ein konkurrenzbegieriger Junghengst aus der Startbox der Pferderennbahn. „Ozark“ ist damit in einer völlig anderen Liga angekommen.

Im mörderischen Dickicht

Das heißt nicht, dass in der Provinz von Missouri nun in bizarre Hektik entartende Non-Stop-Action geboten würde. Obwohl es zu Eskalationen der Gewalt kommt, baut das Autoren- und Regieteam von „Ozark“ auf den enormen inneren Druck der Figuren. Marty Byrde (Jason Bateman) und seine Frau Wendy (Laura Linney), ein zum Geldwäscher gewordener Finanzberater und seine früher für die Demokratische Partei tätige PR-Frau, haben nicht nur das Kartell an den Hacken. In irrwitziger Vorwärtsverteidigung versuchen sie, im lokalen Dickicht aus korrupter Politik, organisiertem Verbrechen und mörderischer Profithaiwirtschaft ein großes Spielcasino hochzuziehen.

Schon in der ersten Staffel von „Ozark" ahnte man, dass für den Entwurf der Geschichte moderne Klassiker der Serienkultur Pate standen, dass die Macher um Bill Dubuque und Mark Williams nicht einfach den nächsten Krimi im Sinn hatten, sondern die nächste Muss-man-unbedingt-sehen-Serie. Die politischen, intriganten, distinguiert korrupten Seiten von Marty und Wendy erinnern an das Politikerehepaar in „House of Cards“. Dass sie ihre Talente nicht mehr im bürgerlichen Leben einsetzen, sondern ganz selbstverständlich Tatkraft, Kreativität und Beharrlichkeit im hochkriminellen Bereich entfalten, ist eine Parallele zu „Breaking Bad“. Nicht eine großstädtische Kulisse zu wählen, sondern die Skurrilitäten und Eigenheiten einer Provinz auszuschöpfen, diese Inspiration könnte aus „Fargo“ oder aus „True Detective“ stammen.

Keine Zeit für Erklärungen

Doch erst in der zweiten Staffel reicht „Ozark“ an diese Vorbilder heran. Wurde zum Auftakt noch zu viel erklärt, der Zuschauer zu oft an der Hand genommen, erleben wir jetzt Figuren, die keine Zeit mehr haben, einander und damit vor allem auch dem Zuschauer ihr Handeln, ihr Denken und ihre Risiken auseinander zu klamüsern. Die Sparsamkeit und Knarzigkeit der Dialoge, das Verstohlene und Lauernde des verbalen Umkreisens schaffen nun eine haarsträubend dichte Atmosphäre. Dem völligen Verzicht auf Schnörkel und Bombast in der Sprache hält das Spiel des großartigen Cast locker stand. Kein bisschen Übertreibung stört die allgemeine Anspannung, alle vertrauen auf kleine Gesten und leise Stimmen, was Eruptionen umso wirkungsvoller macht.

Wer es gerne anspruchsvoll mag und den holprigeren Momenten der ersten Staffel ausweichen möchte: Man kann mit der zweiten Staffel einsteigen und sich das nötige Vorwissen allmählich zusammenreimen. Das ist dann zwar anstrengender, aber vermutlich noch spannender.

Beim Streamingdienst Netflix:
alle zehn Folgen der zweiten Staffel, jeweils 55 Minuten, sind bereits abrufbar.