Obdachlosigkeit kann jeden treffen, sagt Janina Baaken, Geschäftsführerin von Heimstatt Esslingen. Was die Gründe für den Verlust der Wohnung sind und warum es alleinerziehende Frauen so schwer auf dem Markt haben, erzählt sie im Interview.

Esslingen - Die EZ-Weihnachtsspendenaktion hat ihren Fokus auch auf die Schicksale derer gerichtet, die durch eine Trennung oder Jobverlust von Obdachlosigkeit bedroht sind. Dass Wohnungslosigkeit nicht mehr ein Problem von Geringverdienern ist, sondern jeden treffen kann, weiß Janina Baaken, die Geschäftsführerin von Heimstatt Esslingen. Der Verein hilft Menschen, die in eine solche Situation geraten sind.

 

Welche Gründe sind dafür verantwortlich, dass Menschen obdachlos werden?

Da gibt es eine Vielzahl an Gründen. Zum einen ist es die finanzielle Lage. Mieten sind recht teuer heutzutage und viele Menschen, die Arbeitslosengeld beziehen oder nicht mehr arbeiten können, können ihre Miete nicht mehr bezahlen und verschulden sich eventuell. Das Jobcenter hat Mietobergrenzen, die es bewilligt. Die haben sich zwar verbessert, aber sie bilden immer noch nicht die Preise auf dem Wohnungsmarkt ab.

Sie haben ein Projekt speziell für Frauen ins Leben gerufen. Was verbirgt sich dahinter?

Wir sind viel in den Notunterkünften auf den Fildern unterwegs und beraten dort Menschen vor Ort. Und da hat sich gezeigt, dass Trennung oft auch ein Grund für Wohnungslosigkeit ist. Zum Beispiel, wenn Frauen sich aus Gewaltbeziehungen befreien. Dann kommen sie zunächst ins Frauenhaus, dort können sie aber nicht ewig bleiben. Und weil der Wohnungsmarkt so angespannt ist, finden sie danach oft keine Wohnung und landen in Notunterkünften. Für Frauen haben wir daher ein spezielles Projekt, es nennt sich „ein Zuhause geben“, das sich mit dieser Problematik beschäftigt. Aufgrund des angespannten Wohnungsmarkts ist es auch nicht auszuschließen, dass jeder in die Obdachlosigkeit abrutschen kann. Klar hat man eine größere Chance, eine Wohnung zu finden, wenn man eine Arbeit hat und ein festes Einkommen. Doch wenn sich auf eine Wohnung 100 Leute bewerben, wird es doch eng.

Sind mehr Männer oder Frauen von Obdachlosigkeit betroffen?

In unseren Zahlen spiegelt sich wider, dass es immer noch mehr Männer sind. Aber die Frauen holen auf. In unserem Projekt auf den Fildern beraten wir fünfzig Prozent Männer und fünfzig Prozent Frauen. Wobei es so ist, dass mehr Männer in den Unterkünften untergebracht sind, Frauen aber eher Hilfe in Anspruch nehmen.

Wie hat sich die Coronapandemie auf die Wohnungslosigkeit ausgewirkt?

Was die Notunterbringung angeht, habe ich von den Kommunen mitbekommen, dass es dort keinen großen Zuwachs gab. Ich habe auch bei uns nicht das Gefühl, dass es jetzt wahnsinnig zugenommen hat. Aber ich denke für die Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, hat sich die Lage verschärft. Wenn man in einer Notunterkunft mit mehreren Menschen in einem Zimmer untergebracht ist, ist das natürlich schwierig. Das generelle Problem von Menschen in Notunterkünften ist auch Armut. Und Armut ist ein Faktor, der sich verstärkt hat durch die Pandemie. Mein Eindruck ist auch, dass der Wohnungsmarkt schwerer zugänglich geworden ist. Ich glaube, viele Vermieter haben sich gescheut, ihre Objekte neu zu vermieten.

Alleinerziehende Mütter haben es auf dem Wohnungsmarkt sehr schwer. Warum eigentlich?

Das ist eine gute Frage. Ich glaub, dass das viel mit Vorurteilen zu tun hat. Alleinerziehende haben oftmals nicht die Möglichkeit, Vollzeit zu arbeiten, vor allem wenn die Kinder klein sind. Das bedeutet, dass sie ein geringes Einkommen aufweisen. Ich vermute, dass Vermieter nicht das Gefühl haben, da gibt es noch eine Absicherung in Form einer zweiten Person. Daneben schrecken Kinder viele Vermieter ab.

Was sollte die Politik aus Ihrer Sicht gegen Obdachlosigkeit unternehmen?

Ich denke, es muss ein großer Fokus auf den sozialen Wohnungsbau gelegt werden. Wir können nicht alle Klienten in gut bezahlte Arbeit vermitteln. Die Schere zwischen Arm und Reich geht hierzulande immer weiter auseinander. Und da brauchen wir sozialen Wohnungsbau, der es den Menschen ermöglicht, einfach eine günstige Wohnung zu bekommen.

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Infobox

Heimstatt Esslingen
Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, Unterkünfte für Menschen in Wohnungsnot zu finden. Heimstatt vermietet und baut selber Wohnungen. Dabei achtet der Verein darauf , dass diese auch bezahlbar für ihre Klienten sind. Nachdem diese eine Wohnung gefunden haben, werden sie sozialarbeiterisch weiter betreut.

Ein Zuhause geben
Mit diesem Projekt wird speziell Wohnraum für Frauen mit oder ohne Kind gesucht. Es wurde dieses Jahr mit dem Mariane-Kraut-Frauen-Förderpreis ausgezeichnet.