Der Fachkräftemangel beutelt alle Betriebe. Die Industrie- und Handelskammer Baden-Württemberg schlägt Alarm und fordert vom Bund eine Stärkung der dualen Ausbildung.

Stuttgart - Der Fachkräftemangel in den Krankenhäusern ist seit Ausbruch der Coronapandemie überdeutlich geworden. Auch Kommunen und Handwerksbetriebe können freie Stellen nicht besetzen, in der Industrie beklagt die Mehrzahl der Unternehmen Personalengpässe.

 

Die Babyboomer hinterlassen Lücken

Die Hochrechnungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Baden-Württemberg versprechen keine Besserung: Weil in den nächsten Jahren viele Erwerbstätige aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand gehen, könnten der Baden-Württembergischen Wirtschaft im Jahr 2035 insgesamt 863 000 Fachkräfte fehlen. Die Branche mit dem größten Personalbedarf bleibt laut dem Fachkräftemonitor auch in den kommenden Jahren das Gesundheits- und Sozialwesen, gefolgt von wirtschaftsnahen öffentlichen und personenbezogenen Dienstleistungen.

Duale Berufsausbildung wird zunehmend wichtiger

Allein für die Gesundheitsberufe mit mittlerer Qualifikation prognostiziert die IHK für 2022 eine landesweite Versorgungslücke von 50 000 Fachkräften, davon fast 30 000 in den technischen Berufen mit hoher Qualifikation, 22 000 in Büro- und Sekretariatsberufen und 14 000 im Erziehungs- und Sozialbereich. „Die duale Berufsausbildung ist wichtiger als je zuvor, denn trotz der derzeit schwierigen Situation aufgrund der aktuellen Coronapandemie werden diese Fachkräfte gefragter sein als je zuvor“, sagt Marjoke Breuning, Vizepräsidentin der IHK Baden-Württemberg.

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Der Nachwuchs aber ist rar. Laut Arbeitsagentur Stuttgart werden aktuell vor allem Bewerberinnen und Bewerber für die Ausbildung zu Hotelfachleuten, Restaurantfachleuten und Köchen, zu Bäckern, Fleischern und Konditoren gesucht. Im Gesundheitswesen blieben in diesem Herbst 72 der Agentur gemeldete Ausbildungsstellen unbesetzt, bei den Bürofachleuten waren es 114, im Handel 232. Seit Jahren fehlt Nachwuchs auf dem Bau, bei Lkw-, Bus- und Bahnfahrern.

IHK fordert: Berufliche Bildung stärken

Viele dieser Berufe oder Branchen, so die Rückmeldung aus der Berufsberatung und dem Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur, hielten die Bewerber für nicht attraktiv. Vor allem Arbeitszeiten am Abend oder am Wochenende, Schichtdienste, lange Abwesenheitszeiten, das Gehaltsniveau und fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten würden bemängelt. Laut Agenturchef Johann Beck „stehen für Jugendliche viele Branchen und das Handwerk weiterhin in der zweiten Reihe nach Industrie, Großunternehmen, öffentliche Verwaltung“. An die Politik appelliert Marjoke Breuning: Wir erwarten von der neuen Bundes- und von der Landesregierung, dass sie die angekündigte Stärkung der beruflichen Bildung auch schnell und effizient umsetzten.“