Die Stadt Stuttgart startet eine Kita-Offensive zusammen mit den Freien Trägern. Mit einem Millionen-Budget sollen Erzieherinnen umworben werden. Doch der Fachkräftemarkt ist leergefegt.

Stuttgart - Nach einer langen Abstimmungsrunde innerhalb der Verwaltung hat Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) nun ein Konzept vorgelegt, wie Stadt und freie Träger gemeinsam Erzieherinnen gewinnen und halten wollen. Der Jugendhilfeausschuss hatte eine Sondersitzung eingefordert, am Montag zeichnete sich Zustimmung in allen Fraktionen ab.

 

„Der Vorschlag konzentriert sich insbesondere darauf, Erzieherinnen in praxisintegrierter Ausbildung (PIA) zu bekommen und zu halten. Es ist ein Baustein von vielen, die noch hinzukommen müssen“, sagte Isabel Fezer. Die Bürgermeisterin für Jugend und Betreuung schlägt dem Gemeinderat vor, in diesem Jahr überplanmäßig 3,496 Millionen Euro und 2019/20 nochmals 7,4 Millionen Euro für Sofortmaßnahmen zur Personalgewinnung auszugeben. Damit folgt sie in wesentlichen Teilen den Anträgen aus dem Gemeinderat.

Werben im Ausland

Unter anderem wird die städtische Personalförderung bei freien Trägern so gestaltet, dass den Trägern kein Nachteil entsteht, wenn sie PIAs einstellen. Könnte man auf diese Weise alle Fachkraftstellen bei den Freien Trägern besetzen, würde das die Stadt 3,27 Millionen Euro kosten.

Ferner sollen die Anwerbestellen auch für freie Träger im Ausland aktiv werden, Mietkostenzuschüsse in Höhe von 100 Euro sollen gewährt werden, wenn den neu Zugereisten ein Zimmer gestellt wird. Die Auslandsaktivitäten und die Mietzuschüsse würden sich in den Jahren 2018, 2019 und 2020 auf rund 580 000 Euro belaufen. Die Stadt selbst hat bisher 42 rumänische, 15 italienische und 15 spanische Fachkräfte angeworben. In diesem Jahr sollen zwei Anwerbephasen statt einer stattfinden, um 30 pädagogische Fachkräfte für städtische Kitas zu gewinnen. Für diese Fachkräfte sowie Bewerberinnen aus dem Bundesgebiet möchte die Fachverwaltung die Kapazitäten der aktuell rund 80 Personalzimmer um 30 erhöhen.

Kirche lobt die Bemühungen

Für das trägerübergreifende Konzept zur Personalgewinnung und -erhaltung liegen die zusätzlichen Kosten für die Jahre 2018 bis einschließlich 2020 bei 10,9 Millionen Euro und sollen aus der Deckungsreserve der Stadt finanziert werden. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) hat den entsprechenden Vorschlag bereits unterschrieben.

Nicht nur die Vertreter der Kirchen lobten Fezers Hartnäckigkeit, das Thema „immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt“ zu haben, auch Stadträtin Iris Ripsam (CDU) zeigte sich aufgeschlossen. Sie forderte aber nochmals die von ihrer Fraktion vorgeschlagene Personalsuche auf Stadtbezirksebene ein: „Den Versuch sollten wir starten.“ Judith Vowinkel (SPD) kritisierte, dass „städtische Grundstücke verkauft werden, statt dort Personalwohnungen zu bauen“ und dass das Umland PIAs besser bezahle als die Stadt Stuttgart.

Stadträte wollen bessere Bezahlung

Christian Walter von der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus forderte eine Abstimmung nach der Sommerpause über die tarifliche Besserstellung der ehemaligen PIA-Erzieherinnen. Vittorio Lazaridis (Grüne) kündigte Zustimmung im Verwaltungsausschuss an, stellte sich jedoch hinter die Forderung von Grünen und SÖS/Linke-plus: „Wir sollten das nach den Ferien diskutieren.“ Doch darauf gibt es wenig Hoffnung: „Die Fachverwaltung begrüßt den Vorschlag, wir können darüber aber erst in der nächsten Haushaltsberatung entscheiden“, so Fezer. Das bedauert Martin Agster, Personalratsvorsitzender im Jugendamt: „Eine ganze Reihe der Maßnahmen werden frühestens 2020/21 wirksam. Das ist zu spät, wenn man bedenkt, wie groß der Druck im Kessel ist. Warum kann man bei einem Überschuss von 383 Millionen Euro hier nicht zehn Millionen investieren?“

Wie in unserer Zeitung berichtet, leidet Stuttgart wegen seiner hohen Lebenshaltungs- und Mietkosten besonders unter dem Erziehermangel. Durchschnittlich sind 200 Stellen in städtischen Kitas nicht besetzt. Das führt zu 520 nicht belegten Kita-Plätzen und einer nur schwach steigenden Bedarfsdeckung: Obwohl laut Verwaltung im vergangenen Jahr circa 400 Plätze geschaffen wurden, sei der Versorgungsgrad im Kleinkindbereich lediglich auf 43,2 Prozent gestiegen; 3457 warten auf einen Platz. „Ein Rechtsanspruch auf Betreuung für Grundschulkinder wird den Personalnotstand nochmals deutlich verschärfen“, so Fezer.