Zum dritten Mal ringt Elyas M’Barek als Gesamtschul-Lehrer Zeki Müller mit seinen Lieblingsschülern Chantal, Danger, Zeynep, Burak und Ploppi. Millionen Kinobesucher können über den anarchischen Spaß herrlich lachen. Aber hier steckt auch eine Botschaft drin!

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Bora Dagtekin ist einer der kreativsten Film- und TV-Autoren. Mit „Türkisch für Anfänger“ hat er der ARD 2006 das Genre der Multikulti-Komödie beschert. „Doctor’s Diary“ brachte 2008 RTL endlich die gute deutsche Krankenhausserie. Und „Fack ju Göhte“ stellte 2013 die Erfolgs-Maßstäbe des deutschen Films auf den Kopf: Von der Filmkritik zum Start vielfach übersehen lockte das Werk mit dem allseits provozierenden Titel weit über sieben Millionen Zuschauer in die Kinos.

 

Und wer damals halbwegs unbefangen ins Kino ging, konnte ja richtig gut lachen über diese aberwitzige Geschichte des von Bildung und Hochkultur weitgehend unbeleckten Klein-Ganoven Zeki Müller, der sich auf der Jagd nach seiner verschwundenen Geldbeute ausgerechnet als hochstapelnder Lehrer in eine Gesamtschule einschleicht und dort auf eine noch unbedarftere Schulklasse trifft. Das war schon tricky gemacht: erstens als moderne Variante der alten deutschen Pennälerkomödie mit vielen anarchischen Schülerstreichen. Zweitens als politisch sehr unkorrekte Satire auf grün-alternative Träume vom Gesellschaftstherapeutikum deutscher Reformpädagogik (unser Lieblingsspruch aus dem ersten Film: „Wie soll ich die 10 b in Deutsch zum Lesen bringen? Die haben doch alle überhaupt kein Gehirn!“).

Und drittens kriegte der Film ja am Ende auch noch seine soziale Kurve: „Herr Müller“ findet Gefallen an seinen Schülermonstern, diese kommen doch noch auf den Geschmack von Literatur und Wissen. Und zum Schluss steht die Bildung da als das, was sie sein kann in moderner Gesellschaft: der Schlüssel schlechthin zu Selbsterkenntnis und Aufstieg. Goethe hätte es heute kaum besser, na, sagen wir lieber: wirkungsvoller sagen können.

Ungefähr zur Halbzeit gibt es eine Unterrichtseinheit zum Thema Mobbing

Wenn der 39-jährige Deutschtürke Bora Dagtekin allerdings eine Schwäche hat, dann diese: seinen erfrischend frechen und originellen neuen Ideen ebenso freche und originelle Fortsetzungen folgen zu lassen. Das war bei den Folgestaffeln von „Türkisch für Anfänger“ so, das war bei „Doctor’s Diary“ nicht anders, und das musste man 2015 auch bei „Fack ju Göhte 2“ erleben: Dagtekin hat Mühe, seine Figuren und Ideen weiterzudrehen, mit neuen Facetten zu versehen. Stattdessen pflegt er das bloße Zitat des bereits Bekannten – und treibt es allenfalls auf die parodistische Spitze.

So kann man nun auch die erste Stunde von „Fack ju Göhte 3“ mit einer kaum enden wollenden Kaskade immer absurderer Schüler-Sabotageakte am Gesamtschulalltag nur mit viel Cola und Haribo durchstehen – muss aber konstatieren, dass das eigentliche Zielpublikum des Abends, junge Menschen zwischen 12 und 17 Jahren, an diesen pubertären Possen wohl viel Freude haben werden. Nach etwa einer Stunde kommt dann wieder die besagte pädagogische Kurve: Zunächst erleben wir in der Turnhalle eine ausführliche Lehreinheit zum Thema Mobbing, so aufrecht und ernsthaft inszeniert wie im Jugendklub von Arte. Und im Anschluss weckt Zeki Müller in seinen Schützlingen Chantal, Danger, Zeynep und Burak endgültig den Glauben an eine bessere Zukunft und treibt sie bis durchs Abitur (Chantal mit 3,2).

Zum Glück erkennt der Film, dass er seine Erfolgsgeschichte nun wohl besser zum Abschluss führt: „Fack ju Göhte 3“ ist definitiv der „Final Fack“ und verabschiedet sich mit einem aufwendig durchinszenierten Nachspann von seinem Millionenpublikum. Immerhin: noch einmal bereitet das Spiel der „Pädagoginnen“ Katja Riemann und Uschi Glas sehr viel Freude. Als Ersatz für Karoline Herfurth glänzt die noch bessere Sandra Hüller im Lehrerzimmer. Während man Elyas M’Barek die Daumen drücken muss, dass er nach „Göhte“ Gelegenheit findet, zusätzlich zu seinen primären Darstellermerkmalen auch künstlerisch endlich neue Pfade zu gehen. Und Bora Dagtekin kann nach all dem „Fack“ nun endlich ganz tief Luft holen für neue, frische Ideen. Alter!