Das Projekt „Bike and Work“ des Rems-Murr-Kreises will den Spaß am radeln fördern. In Firmen steigen Berufspendler bereits vom Auto auf den Drahtesel um.

Kernen/Waiblingen - Gesehen werden ist Trumpf, wenn man auf dem Fahrrad unterwegs ist“, sagt Frank Dellenmann, während er, in eine neongelbe Jacke mit breiten Reflektorstreifen gekleidet, seinen Drahtesel in den heimischen Keller schiebt. Der 44-Jährige weiß, wovon er spricht. Täglich schwingt er sich in den Sattel, um von seinem Wohnort Kernen-Rommelshausen zu seiner Arbeitsstätte zu radeln – dem Klinikum Schloss Winnenden. 25 Kilometer beträgt die Strecke einfach, die Frank Dellenmann im Sommer wie im Winter strampelt.

 

Dafür hat er sich nicht nur Spezialkleidung für alle Eventualitäten angeschafft – von der absolut windundurchlässigen Reflektorjacke über Sturmhaube und Regenhosen bis hin zu Stulpen als Nässeschutz für seine Schuhe – sondern auch zweiradtechnisch aufgerüstet. „Mit dem Rennrad fahre ich im Sommer, das Mountainbike nehme ich bei Schnee, aber meistens fahre ich mit dem hier“, erklärt der Radpendler und zeigt auf das Trekkingrad, von dem er kurz zuvor abgestiegen ist. Neben einigen zusätzlichen Reflektoren hat Frank Dellenmann unter anderem auch Rückspiegel daran montiert und wegen der oft eisglatten Straßen derzeit die Räder mit den Spikes aufgezogen, bei denen Metallnägel in den Mänteln eingelassen sind.

Verkehrsplaner haben oft nicht an Radler gedacht

Doch gefährlich seien weniger die Witterungsbedingungen als viel mehr die Verkehrssituation. „Streckenweise kann man wunderbar fahren und dann kommt wieder ein Stück, da wurden Radfahrer von den Planern schlicht vergessen“, berichtet Dellenmann. Er erhoffe sich daher von dem Projekt „Bike and Work“, das der Landkreis gestartet hat und an dem sich sein Arbeitgeber beteiligt, neben Verbesserungen an seinem Arbeitsplatz – wie zum Beispiel überdachte Abstellplätze oder eine E-Bike-Tankstelle –, dass sich dadurch auch der Stellenwert des Fahrrads als Verkehrsmittel ändert. Durchgängige Verbindungswege von Ort zu Ort seien nötig.

Mit dieser Hoffnung ist er nicht allein. Seine Kollegin, die Physiotherapeutin Sigrid Daubner, die die Projektteilnahme des Klinikums initiiert hat, würde liebend gerne auch im Winter für ihren Arbeitsweg das Rad statt des Autos nehmen. „Aber ich muss ein Stück auf einer Landstraße fahren ohne einen abgetrennten Radweg“, sagt die Maubacherin. Im Winter, wenn sie im Dunkeln unterwegs sein muss, sei ihr das aber zu gefährlich, meint sie.

Auch Marc Burkhardt und Volker Sieber von der Maschinenbaufirma Schnaithmann in Remshalden-Grunbach legen, wann immer es die Umstände zulassen, ihre Arbeitswege per Rad zurück. Nur bei eisglatten Straßen und wenn er auswärts Termine wahrnehmen müsse, steige er auf das Auto um, sagt Marc Burkhardt. 18 Kilometer müsse er von seinem Wohnort Plüderhausen zur Firma strampeln, erklärt der 44-Jährige. Sein fünf Jahre älterer Kollege Volker Sieber aus dem Remshaldener Teilort Geradstetten hat es da mit fünf Kilometern für die einfache Fahrt näher.

Überzeugungsarbeit unter den Kollegen

Immer wieder versuchten sie, Kollegen zu überzeugen, auch per Drahtesel ins Geschäft zu kommen. „Ich sage immer: das Benzin kann gar nicht genug kosten“, erzählt Sieber. Kein Wunder also, dass dem Geschäftsführer Karl Schnaithmann sofort Marc Burkhardt in den Sinn gekommen ist, als er vom Landratsamt Post über das Projekt „Bike and Work“ erhielt. Burkhardt wiederum holte sich Sieber und noch einen weiteren radelnden Kollegen mit ins Boot.

Dass sie ihre rund 180 Kollegen mit dem Fragebogen des Landratsamtes zu dem Thema konfrontieren wollen, ist bereits beschlossene Sache. In diesem wird unter anderem abgefragt, mit welchem Verkehrsmittel man den Arbeitsweg zurücklegt und welche Gründe dagegen sprechen, das Fahrrad zu nehmen. „Und wir überlegen, einen Fahrradtag mit einer gemeinsamen Radtour zu organisieren“, sagt Burkhardt.

Auch sonst ist man bei Schnaithmann recht sportlich unterwegs. Eine Vitrine mit Pokalen weist auf die Erfolge bei Fußballturnieren gegen andere Firmenmannschaften hin. Daneben hängt eine restlos ausgebuchte Liste für Massagetermine im Haus und der Unternehmenschef hat unter seinen Beschäftigten auch schon Gutscheine für einen Yogakurs oder einen Besuch eines Fitnessstudios verteilt.

So ist das Bike-and-Work-Projekt des Landkreises für ihn eine willkommen Gelegenheit, seine Mitarbeiter zu noch mehr sportlichen Aktivitäten zu animieren. „Das Projekt ist ein weiteres Mosaiksteinchen“, erklärt Karl Schnaithmann, „damit sie eine Balance im Leben finden.“ Und was hat er als Firmenchef davon? „Damit werden sie fitter und gesünder, wovon auch ich dauerhaft profitiere“, antwortet Schnaithmann, der im Frühjahr, wenn er sich von seiner Hüftoperation erholt hat, ebenfalls wieder aufs Rad steigen will.

Ein Projekt für die Gesundheit und die Umwelt

Marc Burkhardt und Volker Sieber sehen das Radeln neben dem Gesichtspunkt, etwas für die Umwelt zu tun, ebenfalls vor allem auch unter dem Gesundheitsaspekt. „Wenn man das mit der Tagesroutine verbinden kann, dann ist das doch optimal. Und man fühlt sich morgens richtig gut, wenn man den eigenen Schweinehund schon überwunden hat“, meint Burkhardt und Sieber ergänzt: „Man kommt anders ins Geschäft und abends anders heim, ist einfach freier im Kopf.“

Von ähnlichen Erfahrungen berichtet unabhängig davon Frank Dellenmann, der als Ergotherapeut im Klinikum Schloss Winnenden tagtäglich menschliche Schicksale erlebt: „Die erste Viertelstunde auf der Heimfahrt bin ich noch gedanklich bei der Arbeit, aber dann lasse ich sie hinter mir, und wenn ich ankomme, ist sie weg“, sagt er und macht eine wegwerfende Handbewegung über eine Schulter.