Die drohenden Fahrverbote verunsichern Käufer und Verkäufer gleichermaßen. Doch was sagen Autohändler und Kunden dazu? Eine Bestandsaufnahme an der Automeile.

Stuttgart - Die Karossen werfen die Reflexe des blauen LED-Lichtes wie Sternenblitze in den mondänen Verkaufsraum. Alles wirkt perfekt inszeniert für die Kunden auf der Stuttgarter Automeile. Als wären die blechernen Hauptdarsteller in einem Werbeclip. Das Auto zwischen Kunstobjekt und Gebrauchsgegenstand. Je nach Perspektive. Eindeutig ist jedoch: Unter der Motorhaube stecken große Ingenieurleistungen, Fleiß und Kreativität.

 

Ganz gleich, bei welchem deutschen Autobauer man die Haube lupft. Es ist der Stolz des Autolandes, der Autostadt. Es geht also um viel, viel mehr als um Technik und Design. Es geht ums Gefühl. Um Vertrauen und Sicherheit. Doch das ist mehr als angeknackst. Auf der Automeile ist die Verunsicherung förmlich greifbar. Und hörbar. Kunden in allen Häusern haben ganz oft eine Frage, wie die Verkäufer berichten: „Kann ich noch guten Gewissens einen Diesel kaufen?“

Die DUH gibt keine Ruhe

Die Frage hat seit den jüngsten Meldungen über den Dieselskandal und das Damoklesschwert Fahrverbot eine neue Brisanz erreicht: Die Berliner Landesregierung prüft, ob ab 2020 auch moderne Euro-6-Diesel vom Fahrverbot betroffen sein könnten. Ausgangspunkt ist eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Organisation hatte bekräftigt, sie werde vor Gericht auf einer großen Verbotszone für Dieselwagen in der Berliner Innenstadt bestehen. Zu hohe Werte der gesundheitsschädlichen Stickoxide seien ein „flächendeckendes Problem“. Daher genüge es nicht, nur ältere Diesel zu sanktionieren. Solche Meldungen treiben den Autohändlern auf der Heilbronner Straße den kalten Schweiß auf die Stirn. Die Furcht, etwas Falsches zu sagen, scheint groß. Zudem herrscht Ratlosigkeit. „Ich habe leider keine Kristallkugel“, sagt ein Audi-Mitarbeiter auf die Frage, ob der Diesel tot sei: „Fragen Sie die Politiker.“

Die Verkäufer gehen offen auf die Kunden ein

In diesem Fall ist das nicht nötig. Wer wissen will, wie die Gemütslage bei Kunden und Verkäufern ist, muss nur etwas Zeit investieren. In den Gesprächen und dem Flurfunk der Autohäuser wird alles offenbar. „Die ganze Dieselsache wird doch total aufgebauscht. Und wieder mal ist der kleine Mann der Dumme, während die Großen ihre Schäfchen im Trockenen haben“, sagt eine Kundin und fragt: „Wie macht das eigentlich das Ausland? Hängen die Messstationen in Athen 100 Meter höher?“ Noch fährt sie einen Diesel, einen „schönen Van“, wie sie sagt. Aber ihr nächstes Auto ist wohl ein Benziner. Ein Verkäufer hat indes einen besseren Rat für all diejenigen, die viel fahren und die Vorzüge der Dieseltechnik schätzen: „Kaufen Sie jetzt kein Neufahrzeug“, sagt er. Stattdessen empfiehlt er in diesen unruhigen Tagen, einen Neuwagen zu leasen: „So haben Sie kein Risiko und können, so sich die Lage verändert, das Fahrzeug nach drei oder vier Jahren wieder zurückgeben.“ Diese Offenheit und ehrliche Navigation durch das Diesel-Chaos tun den Kunden gut. Einer bedankt sich herzlich und schiebt grummelnd hinterher: „Schuld an allem hat nur die Politik.“

Tatsächlich nehmen sich die Verkäufer die Freiheit, ehrlich und persönlich zu antworten: „Ich glaube, man kann sich beruhigt einen Euro-6-Diesel kaufen“, sagt einer. In seinem Verkaufsraum stehen fast keine Euro-5-Diesel mehr. Dennoch rät er seinen Kunden, ein wenig zu warten: „Ich glaube, nach der Hessen- und Bayernwahl wird sich der Nebel lichten. Dann sehen wir alle klarer.“