Faire und ökologische korrekt produzierte Mode ist immer noch ein Nischenmarkt, der aber stetig wächst. Auch in Stuttgart gibt es immer mehr Designer und Gründer, die mit ihrer Mode die Welt ein kleines bisschen besser machen wollen. Wir waren zu Besuch bei Schlechtmensch, Ecocarrots und der Roten Zora.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Was ist Glück? Die meisten Menschen verbinden diesen Zustand wahrscheinlich eher nicht mit einer Karotte aus dem Bio-Supermarkt. Nora Papajewski aber schon. Jene besagte Karotte bescherte der 71-Jährigen aus Feuerbach ein spätes Lebensglück. Gemeinsam mit ihrem Partner, dem Designer und Künstler Fritz Arnold, gründete sie vor fünf Jahren das Label Ecocarrots .

 

Die Karotte, „ehrlich und authentisch gewachsen“, wie Nora Papajewski sagt, ist Namensgeberin des Modelabels und drückt zugleich dessen Philosophie aus. Das Paar produziert und verkauft ökofaire Mode: T-Shirts, Kapuzenpullover und Stofftaschen. Gedruckt wird in Stuttgart und auf der Schwäbischen Alb. Fritz Arnold denkt sich die Sprüche und Motive aus. Ehrenamtlich engagiert sich Nora Papajewski seit Jahren: zum Beispiel für Flüchtlinge, in der Fair-Trade-Gruppe sowie für den Klima- und Umweltschutz. So ein Einsatz reicht aber allenfalls für ein besseres Karma, nicht für eine bessere Altersvorsorge. Papajewski wollte die Welt besser machen und dabei Geld verdienen. Die Idee für Ecocarrots kam ihr, als sie einen Dokumentarfilm über die katastrophalen Zustände in der Textilindustrie sah. „Da musste ich mich in die Branche einmischen“, erzählt sie.

Freche Sprüche auf den Shirts zeichnen das Label aus

Im Rahmen der Berliner Fashion-Week findet bereits zum zehnten Mal die Ethical Fashion-Show statt, bei der sich Label präsentieren, die ökofaire Mode verkaufen. Der Markt für grüne und nachhaltige Mode ist in den vergangenen zehn Jahren stets gewachsen. Auch in Stuttgart gibt es immer mehr Möglichkeiten, abseits der Discounterketten Kleidung zu kaufen.

Lange Zeit ging das gute Gewissen dabei nur selten auch mit einem guten Aussehen einher. Ökofaire Mode muss jung, schick und modern sein, denn Shoppen soll in erster Linie ja glücklich machen. Miserable Arbeitsbedingungen am anderen Ende der Welt oder irgendwelche Ökosiegel sind für die meisten Kunden immer noch ein zu vernachlässigender Aspekt.

Kleine Labels müssen sich deshalb abheben. Bei Nora Papajewski ist es das Design, die frechen Sprüche auf den Shirts. Gleichzeitig sind die Stoffe für die Kollektion von Ecocarrots aus gentechnikfreier Baumwolle. Die Shirts sind nach GOTS (Global Organic Textil Standard) zertifiziert und von der Fair Wair Foundation kontrolliert.

Das Angebot im mittleren Preissegment ist gewachsen

Philipp Scheffbuch wiederum setzt auf einen prominenten Standort und provoziert mit dem Namen seines Ladens: Schlechtmensch heißt der Shop für ökofaire Mode am Neckartor in der Neckarstraße 86. Rund 50 000 Menschen fahren dort täglich vorbei. Der Name fällt auf, bleibt in Erinnerung.

Nun will Scheffbuch nicht partout den moralischen Zeigefinger erheben: „Schlecht fühlen muss sich bei mir niemand – man darf auch in Discounterkleidung reinkommen“, sagt er. Sich besser fühlen geht wiederum einfach: Im mittleren Preissegment gebe es inzwischen viele Alternativen zu den großen Ketten. Das will er mit seiner Auswahl zeigen: „Man riecht und fühlt den Unterschied bei den Stoffen.“ Auch sei feine Baumwolle, ohne Chemikalien oder Plastik, allemal besser für die Gesundheit.

Scheffbuch orientiert sich beim Einkauf streng am GOTS-Siegel. Allerdings muss der 44-jährige Einzelhändler auf vieles verzichten. Auch im Textilbereich werden die Begriffe bio und fair längst inflationär gebraucht. Nicht alles ist tatsächlich bio, wo bio drauf steht. Eine Flut an Siegeln mit undurchschaubaren Kriterien erschwert Kunden die Nachprüfbarkeit.

Am wenigsten sagt der Preis aus. „Je teurer, desto besser – das ist der größte Trugschluss“, sagt Silke Wedemeier. Sie engagiert sich in der Stuttgarter Regionalgruppe der Kampagne für saubere Kleidung (CCC). Die Organisation setzt sich für bessere Standards in der Textilindustrie in Ländern wie China, Indien und Bangladesch ein. Teure Marken produzieren dort oft in denselben Fabriken wie Textildiscounter.

Bei der Roten Zora in der Senefelderstraße 101 im Stuttgarter Westen, gegründet von Silke Hampel, verlässt man sich deshalb, wenn überhaupt, auf das GOTS-Siegel. Ansonsten stammt alles aus Deutschland. Dort sind die Standards ohnehin höher. Für die eigenen Kollektionen verwenden Silke Hampel und ihre Mitarbeiterin Eileen Domning Biostoffe, Naturmaterialien oder verarbeiten die eigene Alpakawolle aus dem Schwäbischen Wald. „Bei uns ist alles bio, fair und sogar regio“, berichtet Eileen Domning. „Wir entwerfen auch alles selbst“, sagt die 26-jährige Maßschneiderin mit Meisterdiplom. Genäht werden die Kleider aus der Kollektion daher nur auf Anfrage. Was die beiden nicht schaffen, geben sie an eine Näherei auf der Schwäbischen Alb.

Das alles hat natürlich seinen Preis: Ein Kleid kostet um die 170 Euro. Aber die Trägerin hebt sich damit auf jeden Fall von der Masse ab: Bunte Farben und auffällige Designs mit Retrotouch sind der Markenkern des Labels. Weggeworfen wird bei der Roten Zora übrigens kaum etwas. Für die Glockenröcke mit Polka-Dots aus der aktuellen Kollektion war viel Überschuss angefallen. „Aus den Resten haben wir trendige Stoffbeutel genäht“, sagt Eileen Domning. Wenig wegwerfen sei ja auch nachhaltig. Noch besser: „Weniger kaufen und mit Bedacht.“ Verzicht kann ja schließlich durchaus auch glücklich machen.