Seit einem Jahr dürfen Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus wieder enge Familienangehörige nach Deutschland holen. Das gilt allerdings nur für 1000 Menschen im Monat. Grüne und Linke fordern deswegen mehr Großzügigkeit und schnellere Verfahren.

Berlin - Ein Jahr nach der begrenzten Wiedereinführung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus fordern Grüne und Linke die Bundesregierung auf, mehr Angehörigen eine Einreiseerlaubnis zu erteilen. „Der Familiennachzug zu Schutzberechtigten muss sehr viel unbürokratischer und großzügiger ausgestaltet werden“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unserer Zeitung. „Das Recht darauf, dass Familien zusammenleben dürfen, muss gewährleistet sein.“ Linken-Parteichef Bernd Riexinger nannte es „unmenschlich“, Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus das Zusammenleben mit ihren Familien zu verwehren. „Wir fordern, dass das Recht auf ein Familienleben für alle Geflüchteten gilt“, sagte er.

 

Unter dem Eindruck hoher Flüchtlingszahlen hatten Union und SPD 2016 entschieden, den Nachzug von Angehörigen sogenannter subsidiär Schutzberechtigter auszusetzen. In diese Kategorie fallen Flüchtlinge, die aktuell in ihrer Heimat in Gefahr sind, bei denen aber davon ausgegangen wird, dass sie Deutschland irgendwann wieder verlassen. Diesen Status be-kamen viele syrische Bürgerkriegsflüchtlinge. In dem Land wird inzwischen allerdings seit mehr als acht Jahren gekämpft.

Grüne kritisieren „verkorkste“ Regelung

Auf Druck der SPD und nach zähen Verhandlungen einigte sich die Regierungskoalition im vergangenen Jahr schließlich darauf, den Familiennachzug ab dem 1. August wieder zu erlauben, und zwar für Kinder unter 18 Jahren, Ehepartner und Eltern unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Die Union setzte jedoch durch, dass dies monatlich nur für 1000 Menschen gilt. Wie eine unserer Zeitung vorliegende Bilanz zeigt, wurde dieses Kontingent nicht ausgenutzt: In den elf Monaten von Anfang August des vergangenen Jahres bis Ende Juni wurden nach Angaben des Auswärtigen Amts nur 8758 Visa erteilt. Gerade in den Anfangsmonaten waren wegen Anlaufschwierigkeiten deutlich weniger Einreisegenehmigungen bewilligt worden.

„Dass es ein halbes Jahr gedauert hat, bis das Verfahren eingespielt war und das Kontingent ausgeschöpft werden konnte, zeigt, wie verkorkst diese Regelung ist“, sagte Göring-Eckardt. Es sei zudem „nicht nachvollziehbar“, warum das nicht erfüllte Kontingent aus 2018 nicht in dieses Jahr übertragen worden sei. „Dabei ist es eine zentrale Voraussetzung für Integration, dass Familien zusammen sein dürfen.“

Das Innenministerium ist „erfreut“

Bis zu einem positiven Bescheid muss ein Antrag auf Familiennachzug erst von der deutschen Auslandsvertretung geprüft werden, in der das Gesuch gestellt wird. Danach werden Ausländerbehörden und das Bundesverwaltungsamt damit befasst. Flüchtlingsorganisationen kritisieren, das Verfahren sei zu bürokratisch und führe zu langen Wartezeiten. „In der Zwischenzeit leben die Betroffenen, viele davon aus Syrien, zwischen den Fronten oder in Flüchtlingslagern in anderen Staaten“, sagte Karim Alwasiti vom Flüchtlingsrat Niedersachsen, der sich im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit Pro Asyl um das Thema kümmert, unserer Zeitung. „Wir wollen, dass das Recht auf Familienleben für diese Menschen wiederhergestellt wird.“ Bis dahin müssten die Verfahren beschleunigt werden.

Unter der aktuellen Regelung kann es Jahre dauern, bis getrennte Familien wieder vereint werden. Ende Januar lagen den deutschen Auslandsvertretungen 36 000 Terminanfragen für Anträge auf Visumerteilung zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten vor, davon knapp 15 000 in Libanons Hauptstadt Beirut. Das Land hat etwa eine Million syrische Flüchtlinge aufgenommen.

Das Recht auf ein Zusammenleben von Familien sei durch die vor einem Jahr in Kraft getretene Neuregelung zu einem „Gnadenrecht“ des Staates geworden, kritisierte Göring-Eckardt. Auch Riexinger spricht von einem Gnadenkontingent für subsidiär Schutzberechtigte. „Und selbst innerhalb dieser engen Grenzen sind die bürokratischen Hürden so hoch, dass es ein Recht auf dem Papier ist.“ Das Bundesinnenministerium zieht hingegen eine positive Bilanz. „Wir sind sehr erfreut, dass das Verfahren gut angelaufen ist und weitgehend reibungslos läuft“, sagte ein Ministeriums-sprecher unserer Zeitung.