Als Eltern nimmt man sich ja praktisch täglich vor, alles ganz anders und viel besser zu machen – und scheitert oft spektakulär. Gut, dass auch Mama und Papa gar nicht perfekt sein müssen.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Seien Sie gegrüßt im neuen Jahr. Hoffentlich haben Sie es gut angefangen. Was mich interessieren würde: Wie halten Sie es eigentlich mit den guten Vorsätzen?

 

Als Eltern nimmt man sich ja eigentlich täglich vor, morgen alles ganz anders und natürlich besser zu machen. Engelsgleich geduldig zu bleiben, wenn der Nachwuchs sich in den Kopf gesetzt hat, gerade bei diesem Mittagessen jede Erbse einzeln aufzuspießen, obwohl der Uhrzeiger förmlich auf den Termin beim Zahnarzt oder in der Logopädie zurast. Oder: Verständnis und Einfühlungsvermögen zu zeigen, wenn bei den Hausaufgaben Stifte und Radiergummi fliegen, weil es so verflixt kompliziert ist, auszurechnen, wie viel mal schneller Elke ist, wenn Paul bereits 400 Meter gelaufen ist, Tina aber doppelt so viel und der Weg 1,8 km lang ist... ich erspare Ihnen den Rest. Oder: Kreative Lösungsvorschläge zu finden, wenn das Kind partout nicht Haare waschen will und der Kopf allmählich einem in die Jahre gekommenen Wischmopp gleicht. Ganz generell: Entspannt zu bleiben, wenn das alltägliche Chaos über einen hereinbricht.

Die Pädagogik einer preußischen Volksschullehrerin

Ich sage es besser gleich: An schlechten Tagen verlassen mich Geduld, Verständnis und Kreativität gerne mal. Dann tritt an ihre Stelle – und ich bin nicht stolz darauf – die Pädagogik einer preußischen Volksschullehrerin der 1850er Jahre: Ultimaten („Ich zähle bis drei...“), Drohungen („Wenn Ihr jetzt aber nicht sofort...“) und Gebrüll („WAAAAARGH!“). Ich würde das gerne ändern: In unserem Bücherregal reiht sich „Mama, was schreist du so?“ an „Erziehen mit Gelassenheit“ an „Erziehen ohne auszurasten. Wie ich aufhörte, meine Kinder anzuschreien - und wie Sie das auch schaffen“. In letzterem Buch nahm sich die Autorin, Mutter von vier Kindern, vor, 365 Tage nicht die Stimme zu erheben – ich würde vermutlich schon nach 365 Minuten scheitern.

Hat Mama mal wieder gemotzt oder geschrien, setzt schnell das schlechte Gewissen ein: Warum, verdammt noch mal, geht es denn nicht sanftmütig und freundlich? Warum ist meine Zündschnur manchmal so verflixt kurz?

Wenn der innere erhobene Zeigefinger vorwurfsvoll wackelt, ist es gut, dass es Erziehungsexpertinnen wie Nora Imlau gibt. Einer ihrer Facebook-Einträge ist zwar schon ein paar Jahre alt, er wirkt aber immer noch wie Balsam auf dem von Schuldgefühlen geplagten Mutter-Gewissen. Es geht um das, was Imlau und andere Pädagogik-Vordenker „Good enough Parenting“ nennen: „Als Eltern, und insbesondere als Mütter, haben wir oft das Gefühl, alles richtig machen zu müssen im Umgang mit ihren Kindern. Stets ihre leisen Signale entschlüsseln, immer geduldig und verständnisvoll sein, sie niemals weinen lassen. Ein Anspruch, den niemand zu 100 Prozent erfüllen kann - zum Glück!“ Gerade unsere unperfekten Momente, sagt Imlau, sind für unsere Kinder wichtige Lernchancen.

„Kinder brauchen keine perfekten Eltern“, schreibt die Expertin. „Gut genug zu sein reicht.“ Und vielleicht ist genau das der Vorsatz, unter den ich 2023 stellen werde: „Gut genug ist gut genug.“ Und „perfekt“, was soll das denn überhaupt sein?

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Theresa Schäfer (41) ist Mutter von Zwillingen - und Onlineredakteurin im Nebenberuf. Der geballten Power und argumentativen Logik von zwei Zehnjährigen steht sie oft staunend und manchmal völlig geplättet gegenüber.