Das Buch „Give My Regards to Elizabeth“ präsentiert erstmals frühe Arbeiten des international bekannten Fotografen Peter Bialobrzeski – Alltagsszenen zeigen harsche Klassengegensätze im England der 90er Jahre.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Stuttgart - In Epsom, Surrey, fotografiert der junge Peter Bialobrzeski Frauen in kirschroten und eigelben Pettycoatkleidern. Die Londoner Vorstadtschönheiten posieren wie Filmdiven, werden aber vermutlich von keinem Produzenten entdeckt werden.

 

Dass sich der angehende Fotograf in den frühen 90er Jahren gerade in Epsom auf Motivsuche machte, wirkt wie eine Verbeugung vor dem älteren Kollegen Martin Parr, der eben auch aus Epsom stammt und für seine das Hässliche, Prekäre ausstellenden Alltagsfotografien berühmt geworden ist.

Harsche Gegensätze

Der Fotoband, der das Bild enthält, ist die originalgetreue Wiedergabe des handgebundenen Einzelexemplars von Bialobrzeskis Abschlussarbeit. Er heißt „Give My Regards to Elizabeth“. Der Name der Queen könnte auch ersetzt werden durch Margaret, den Vornamen der ehemaligen Premierministerin Thatcher.

Die nicht eben freundlichen fotografischen Grüße fern jeglichen „Downton Abbey“-Adelskitsches dokumentieren die Folgen neoliberaler Politik. Triste Schönheit und harsche Klassengegensätze: schmucke Reiter, die gebeugten alten Frauen begegnen, gelangweilte Jugendliche in von Arbeitslosigkeit geprägten Städten, müde vor sich hinstarrende Leute in der U-Bahn, Damen mit Hut beim Pferderennen und angeschickerte Mittzwanziger in Smokings und Cocktailkleidern.

Den Turbokapitalismus im Blick

Atmosphärisch wirkt das melancholisch, gesellschaftskritisch, doch nicht ostentativ anklagend. Darin ähneln die Porträts den Arbeiten, für die Peter Bialobrzeski vielfach geehrt wurde: meist menschenleere Landschaften und Straßen in Deutschland in den Fotoserien „Heimat“ und „Die zweite Heimat“; ästhetisch bizarre Hochhäuser neben Baracken und wuchernden Pflanzen im Mega-Smog Asiens in „Neontigers“ und „Paradise Now“. Mit oder ohne Menschen, den Turbokapitalismus hat der Fotograf immer im Blick.

Zur Person

Der Fotograf Peter Bialobrzeski, 1961 in Wolfsburg geboren, studierte an der Folkwangschule in Essen und in London, er ist Professor für Fotografie an der Hochschule für Künste Bremen. Seine Arbeiten wurden in der ganzen Welt ausgestellt und er hat mehrere Preise erhalten, darunter zwei mal den World Press Photo Award und im Jahr 2012 den Dr. Erich Salomin Award.

Zu Buch und Verlag

Peter Bialobrzeski: Give My Regards to Elizabeth. Hartmann Books, Stuttgart. Mit Texten von Mick Brown und Peter Bialobrzeski. 48 Abbildungen, 94 Seiten, 34 Euro. Der Stuttgarter Verlag stellt auch Fotos aus, aktuell von Olaf Otto Becker. Und im Galerienhaus von Hartmann Projects (Breitscheidstraße 48, Hinterhof, in Stuttgart, ganz nahe bei der Liederhalle/ Bosch Areal) gibt es einen schicken Leseraum, in dem Fotografiefreunde zu den Öffnungszeiten Montag bis Freitag 14 bis 19 Uhr, Samstag 12 bis 16 Uhr Bilder und Bücher anschauen und sich mit den Verlegern unterhalten können, womöglich bei einem kleinen Kaffee, wie es sich für „Coffeetable“ Bücher ja eigentlich auch gehören sollte.