Sportlich läuft es bei den Katalanen in dieser Saison unbefriedigend. Der hoch verschuldete Club steckt zudem in großer finanzieller Not – ein Transfertrick soll die Bilanz schönen.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Man kann sich als Fußballinteressierter neuerdings zurecht die Frage stellen, wer eigentlich dieser Arthur Henrique Ramos de Oliveira Melo ist? Die einfachste Antwort liefert natürlich Wikipedia im Internet: Arthur ist ein brasilianischer Fußballspieler, der seit 2018 beim FC Barcelona unter Vertrag steht. Aktuell hat der 23-jährige Mittelfeldspieler jedoch nicht wegen seiner Ballfertigkeiten eine gewisse Berühmtheit erlangt, sondern weil er der bislang teuerste Sommertransfer ist – und es in Corona-Zeiten womöglich bleiben wird.

 

72 Millionen Euro erhält Barça für Arthur von Juventus Turin, Boni in Höhe von zehn Millionen Euro sind im Erfolgsfall extra ausverhandelt. Eine Wahnsinnssumme für einen Profi, der bisher noch nicht geglänzt hat und nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs in La Liga nur auf der Bank sitzt. Spötter meinen zu wissen, warum. Im Internet kursiert ein Video, in dem Arthur seinen Trainer Quique Sétien gleich zweimal innerhalb einer Minute mit einem Beinschuss düpiert.

Ein Spielertausch für die Bilanz

Im Gegenzug zum feinen Füßchen und frechen Bürschchen aus Porto Alegre kommt aber bekanntlich der Bosnier Miralem Pjanic für 60 Millionen Euro plus einer möglichen Zugabe von fünf Millionen nach Katalonien. Hintergrund der Verpflichtungen sind jedoch nicht sportliche Überlegungen. Sondern: finanzielle. Das zeigt, welche Ausmaße und Auswüchse die Ballbranche angenommen hat. Es geht darum, die Geschäftsberichte der defizitären Edelclubs besser aussehen zu lassen – mit einem Trick.

Da die Transfereinnahmen sofort verbucht werden, die Ausgaben jedoch auf die Vertragslaufzeit gestreckt werden können, profitieren sowohl Barça als auch Juve in ihren Bilanzen. Arthur (kostete einst 31 Millionen Euro) hat einen Fünfjahresvertrag unterschrieben, Pjanic für vier Jahre. Entsprechend lang können die Transfersummen abgeschrieben werden.

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Ein schlichter Tausch mit der Zahlung des Differenzbetrages hätte in den Büchern nicht so schön ausgesehen. Bis zum Stichtag 30. Juni musste dies alles geschehen. Was auch deshalb gelungen ist, weil Arthur in Italien angeblich das dreifache Gehalt wie in Spanien bezieht. Zum Geschäft gehört auch eine Ausstiegsklausel für den 30-jährigen Pjanic für 400 Millionen Euro, immerhin eine Stammkraft.

Rekordbudget von knapp einer Milliarde Euro

Vollzogen werden die Wechsel jedoch erst nach der Saison und dem Champions-League-Finalturnier im August. Der Deal offenbart aber schon jetzt, dass Unternehmensberater und Finanzstrategen beim ruhmreichen FC Barcelona im Moment viel mehr bestimmen, als den Clubchefs lieb sein kann. Denn im vergangenen Jahr wiesen die Katalanen ein Rekordbudget von knapp einer Milliarde Euro aus. Darauf waren sie stolz. Nun laufen sie Gefahr, unter der Ausgabenlast, die ähnlich hoch ist, zusammenzubrechen.

Das Ächzen und Stöhnen auf der Führungsebene ist unüberhörbar. Was auch daran liegt, dass in Spanien die Präsidiumsmitglieder persönlich für Verluste haften. Und Köpfe gibt es viele im Organigramm. Klar ist, dass der Präsident Josep Maria Bartomeu im nächsten Jahr zur Mitgliederversammlung der Blaugrana einen verschuldeten Club übergeben wird. Nur: Wie hoch die Summe sein wird, bleibt ungewiss. Ein dreistelliger Millionenbetrag dürfte es aber wohl werden.

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Das liegt auch am Gehaltsniveau in Barcelona – mit Lionel Messi an der Spitze. Der Argentinier soll allein schon 100 Millionen Euro im Jahr kassieren. Und zurzeit laufen mal wieder Vertragsverhandlungen mit der Fraktion des Ausnahmekönners. Angedeutet wurde dabei schon, dass sich Messi eine Luftveränderung gut vorstellen könne. Nach Ablauf seines Arbeitspapieres im Sommer 2021.

Die ewige Angst, Messi zu verlieren

Als Drohung kann man das auf der einen Seite verstehen, aber auch als Erfolgsstrategie auf der anderen. Präsident Bartomeu hat prompt reagiert. „Leo hat oft betont, dass er seine Karriere hier beenden will.“ Auch der umstrittene Trainer Sétien soll bleiben, obwohl das Verhältnis zum Team (zuletzt gewann der Tabellenzweite das Stadtderby gegen Espanyol mit 1:0 durch ein Tor von Luis Suarez) zerrüttet scheint. Beruhigende Worte des Clubchefs sind das in aufgeregten Zeiten, denn seit Jahren geht das so: Messi äußert seinen Unmut, liebäugelt mit einem Wechsel – und am Ende von langen Verhandlungen werden ihm alle Wünsche erfüllt.

Als ein Finanzchef einmal wagte, zu fragen, warum Barça eigentlich alle paar Monate mit Messis Beratern an einen Tisch sitzen müsse, da bekam er zur Antwort: Falscher Ansatz, und bitte schauen Sie sich nach einer neuen Aufgabe um.

Der FC Barcelona ist von der Angst getrieben, Messi verlieren zu können. Mit dem 33-Jährigen steht und fällt das katalanische Spiel noch immer. Er hat jetzt in der Addition für Barça und die argentinische Nationalelf 700 Tore erzielt, in 864 Partien. Unvergleichlich gut ist dieser Messi, doch persönliche Rekorde interessieren ihn weniger als Titel. Und mit dem großen FC Barcelona könnte der kleine Dribbler diesmal leer ausgehen.