Torjäger Robert Lewandowski ist vor dem Viertelfinalduell des FC Bayern gegen den FC Barcelona und Lionel Messi in Topform – kämpft aber gegen seinen Makel in großen Spielen der Champions League an.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart/München - Thomas Müller redet gerne und viel, auf dem Platz und daneben, und meistens schicken ihn die Verantwortlichen des FC Bayern München ja auch gerne als Erstes vor die Fernsehkameras nach dem Schlusspfiff, weil dieser Müller meist etwas Gehaltvolles zu sagen hat. Und weil von ihm im Gegensatz zu vielen anderen Profifußballerkollegen nicht nur Standardsätze a la „wir haben als Team überzeugt“ oder „wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen“ kommen. Am Samstagabend war es mal wieder so weit. Müller sprach nach dem Einzug in Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Barcelona in die Mikrofone – und sendete vor dem großen Duell in Lissabon am Freitag eine Botschaft aus.

 

Müller sprach über seinen Teamkollegen Robert Lewandowski, der beim 4:1 im Achtelfinal-Rückspiel gegen den FC Chelsea doppelt traf. Es waren Lewandowskis Tore Nummer zwölf und 13 in dieser Champions-League-Saison, inzwischen ist für den Torjäger sogar der Königsklassen-Rekord von Cristiano Ronaldo aus der Saison 2013/14 drin, als der Portugiese Real Madrid mit 17 Toren zum Titel schoss.

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Lewandowski hat in dieser Saison wettbewerbsübergreifend 53 Treffer in 44 Spielen erzielt – bei diesen Superlativen ist es klar, dass vor dem Spiel gegen Barcelona vom Gigantenduell für Lewandowski die Rede ist. Vom Gigantenduell mit einem der größten Fußballer der Geschichte. Denn Bayern gegen Barca, das ist auch das Spiel des Robert Lewandowski gegen den argentinischen Superstar Lionel Messi.

In der Form des Lebens

Da stand nun also am Samstagabend Thomas Müller in Münchens Arena und sprach in aller Klarheit aus, was er von seinem Offensivkollegen im Viertelfinale erwartet: „Jetzt ist Lewy gefordert, dass er das zeigt“, antwortete Müller auf die Frage, ob Lionel Messi oder Lewandowski derzeit der beste Offensivspieler der Welt sei. Müllers Botschaft war gesetzt.

Gegen Chelsea war Lewandowski in Hin- und Rückspiel an allen sieben Bayern-Treffern als Torschütze oder Vorlagengeber direkt beteiligt. „Lewy hat wieder das gemacht, was ihn weltweit bekannt macht“, ergänzte Müller noch: „Aber er hat auch die Mitspieler gesehen. Das macht uns aktuell stark.“ Und genauso soll das aus Sicht des FC Bayern gegen Barcelona weitergehen.

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Lewandowski (31) scheint in der Form seines Lebens zu sein. Vorbei sind die Zeiten, als seine Berater täglich damit beschäftigt waren, ihren Klienten bei Real Madrid unterzubringen. Vorbei sind auch die Zeiten, als Lewandowski in der Vergangenheit gerne seine Mitspieler in Interviews kritisierte, wenn er der Auffassung war, dass sie ihn nicht mit genügend Vorlagen fütterten. Lewandowski, früher oft ein Egomane auf dem Platz, hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren zum Teamplayer entwickelt, was wohl auch mit der Gewissheit zusammenhängen dürfte, dass es in seinem Fußballerleben nichts mehr wird mit einem Wechsel zu Real.

Noch nie im Finale

Lewandowski spricht nun offen von einem möglichen Karriereende beim FC Bayern, inzwischen identifiziert er sich voll mit dem Rekordmeister, was sich auch auf dem Platz zeigt. Denn da meckert er nicht mehr in der Regel, sondern feuert seine Kollegen an. Und gibt obendrein selbst etliche Torvorlagen. Es läuft also formidabel beim Starstürmer der Münchner – beim Finalturnier der Champions League in Lissabon allerdings kämpft Lewandowski nun gegen einen jahrelangen persönlichen Makel an.

Denn seit seinem Wechsel zum FC Bayern im Sommer 2014 hat es bisher nicht zum Titelgewinn in der Königsklasse gereicht – was wiederum eng mit Lewandowskis Leistungen in den entscheidenden Partien zusammenhing. Fünfmal versuchten Lewandowski und die Bayern bisher gemeinsam ins Finale einzuziehen, spätestens im Halbfinale war immer Schluss. Auch, weil der Pole in den großen Spielen nicht überzeugte: sei es in den Halbfinals 2015 und 2016 gegen den FC Barcelona und Atlético Madrid, sei es im Viertelfinale 2017 und im Halbfinale 2018 jeweils gegen Real Madrid – und sei es auch zuletzt beim Achtelfinal-Aus im vergangenen Jahr gegen den FC Liverpool.

Die legendäre Gala für den BVB

Spätestens nach seinem schwachen Auftritt im Rückspiel von München (1:3) gegen das Team von Jürgen Klopp im März 2019 manifestierte sich dieser Eindruck: Wenn es darauf ankommt, dann stößt Lewandowski an seine Grenzen. Das hatte teils mit unmittelbar vorher aufgetretenen Verletzungsproblemen zu tun oder auch mal mit einer arg defensiven taktischen Ausrichtung des gesamten Teams. Oft aber, so schien es, wirkte Lewandowski gegen die großen Gegner seltsam gehemmt. Und oft prallte der Pole an Abwehrschränken wie Sergio Ramos oder Virgil van Dijk ab.

Jetzt, gegen den FC Barcelona, kann der Torjäger seinen Makel bekämpfen. Wie es geht gegen einen großen Gegner in Europa, das hat er schon selbst bewiesen, als er noch ein schwarz-gelbes Trikot trug. Lewandowskis vier Tore für Borussia Dortmund beim 4:1 im Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid im Jahr 2013 sind legendär.

Am Freitag will er gegen Barca wieder zeigen, was er draufhat. Und geht dieses Ziel mit Rückenwind nach einer bisher überragenden Saison an. „Lewy“, sagte Bayerns Mittelfeldmann Leon Goretkza am Samstag, „ist gerade in unfassbarer Form.“