Die Situation bei Schalke 04 ist vor dem Hit im DFB-Pokal an diesem Dienstagabend gegen den FC Bayern München angespannt – nicht nur wegen Torwart Alexander Nübel.

Gelsenkirchen - In der Hierarchie des FC Schalke 04 kann man in diesen Wochen sehr schnell große Sprünge machen, letzter Profiteur dieser ungewöhnlichen Durchlässigkeit war Bastian Oczipka. Beim Ligaspiel in Köln lief der gebürtige Rheinländer, im Sommer 2017 von Eintracht Frankfurt zum Revierclub gekommen, plötzlich mit der Spielführerbinde am Oberarm auf den Rasen. Dieses Bild war zu Saisonbeginn noch völlig ausgeschlossen. Doch weil Torwart Alexander Nübel Anfang Januar wegen des Trubels um seinen Wechsel zum FC Bayern München nach Rücksprache mit Trainer David Wagner vom Kapitänsamt zurücktrat, Nachfolger Omar Mascarell und weitere drei Kandidaten aus Verletzungsgründen oder wegen ihres Reservistendaseins als Option wegfielen, kam in der Domstadt eben der 31-jährige Oczipka zum Zug.

 

Sollte Angreifer Guido Burgstaller im Pokal-Viertelfinale des Fußball-Bundesligisten aus Gelsenkirchen an diesem Dienstagabend (20.45 Uhr/ARD) gegen die Bayern nicht zurück in die Startelf rücken, wird der Linksverteidiger die Rolle als Kapitän auch dann wieder einnehmen. Bei seiner persönlichen Premiere in Köln war Oczipka jedenfalls schon mal sehr gefragt: Wegen der blamablen Leistung der Königsblauen beim 0:3. Vor allem aber wegen der Fan-Schmährufe („Nübel raus!“) gegen den eigenen, bei den jüngsten Niederlagen gegen RB Leipzig (0:5) und in Köln wiederholt patzenden Torwart.

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Diese Gemengelage nahm Aushilfskapitän Oczipka zum Anlass für ein erstaunlich liberales Urteil. „Man kann natürlich beide Parteien verstehen“, sagte er, als gehörte der unglückliche Nübel der Fußball-Partei Schalke 04 schon nicht mehr an. Und sein Rat an den sechs Jahre jüngeren Teamkollegen lautete: „Alex muss sich einfach eine dicke Haut aneignen.“ Die Fehler des talentierten Schlussmanns haben inzwischen das Potenzial, Fans, Mannschaft und Verein zu spalten.

Fest steht, dass die Personalie Nübel in einer sportlich schwierigen Lage mit sechs Ligaspielen nacheinander ohne Sieg zusätzlich für dicke Luft auf dem Berger Feld sorgt. Wobei Jochen Schneider die rabiate Haltung der blau-weißen Gefolgschaft inzwischen durchaus als Problem erachtet, sich dabei aber klar auf die Seite des Keepers schlägt. Die Häme gegen Nübel, sagt der Sportvorstand von S04, könne er ebenso wenig nachvollziehen wie die beleidigenden Plakate gegen den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp, die in einigen Stadien der Republik gerade en vogue sind. „Ich weiß nicht, auf was für einem Weg unsere Gesellschaft ist – aber wir im Fußball sind da vorne mit dabei“, kritisiert der 49-Jährige die eigene Branche.

Schon unmittelbar nach der Niederlage in Köln regte der sichtlich betroffene Schneider („Ein Transparent – Spielabbruch“) eine Verschärfung des aktuellen Dreistufenplans hin zu einer Lösung mit nur einer Stufe vor. Diesen Gedanken trieb der gebürtige Schwabe gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Alexander Jobst und Peter Peters am Sonntag dann voran – in einer Mitteilung, in der das Schalker Führungstrio betonte: „Sollten im Pokalspiel gegen Bayern München, im Spiel gegen Hoffenheim oder bei zukünftigen Spielen derartige Vorkommnisse in der Arena sichtbar werden, wird unsere Mannschaft den Platz verlassen – ungeachtet der Spieldauer, des Resultats oder etwaiger Konsequenzen.“

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Der Verein, der sich auf Initiative von Finanzchef Peters am Montagabend mit Vertretern des Deutschen Fußball-Bundes, von Bayern München und mit Schiedsrichter Tobias Stieler zu Beratungen für mögliche Protestszenarien während des Pokalduells traf, nimmt seine Fans also mit in die Verantwortung. Und im Gegensatz zu Chefcoach Wagner, der am Montagmittag noch nicht offiziell verraten wollte, ob Alexander Nübel oder doch der erste Ersatzmann Markus Schubert gegen die Bayern zwischen den Pfosten stehen wird, bezieht Jochen Schneider auch in der Torwartfrage deutlich Position – pro Nübel.

„Ich hoffe, dass der Junge gegen München wieder spielen wird, dass er gut spielen wird. Denn Davonrennen hat noch nie etwas gebracht“, betont der Sportvorstand der Gelsenkirchener und appelliert zugleich an die besonders Schimpfwütigen unter den Fans: „Was Schalke 04 prinzipiell auszeichnet, ist der extreme Zusammenhalt, insbesondere in schwierigen Phasen.“ Denn: „Anders geht’s doch nicht. Sonst ist der Misserfolg vorprogrammiert.“ Die Schalker Schieflage ist schon jetzt groß genug.