Die Liberalen bangen den bevorstehenden Landtagswahlen entgegen und setzen deshalb verstärkt auf das eigene Profil.

Sie sind echt fies, die Wähler in den Ländern. Jedenfalls kümmert sie nicht groß, was FDP-Vize Johannes Vogel derzeit umtreibt: „Ich habe keine Lust, bei jeder Landtagswahl darum zu zittern, ob die FDP ins Parlament einzieht.“ Doch genau diese Zitterpartie bleibt Vogel wohl nicht erspart. Was die nahenden Landtagswahlen in Bremen, Bayern und Hessen anlangt, sieht es für die Liberalen nicht allzu rosig aus. Gut möglich, dass sie den Sprung in die Landtage von Bremen, München und Wiesbaden verfehlen – so wie sie schon bei den vergangenen Landtagswahlen seit Gründung der Berliner-Ampel-Koalition im Herbst 2021 ziemlich mies abgeschnitten hatten.

 

Lob für Volker Wissing

Deshalb hatten viele Liberale etwas Muffensausen vor dem Bundesparteitag, der an diesem Freitag in Berlin begann. Dort allerdings zeigt sich die Partei erstaunlich munter und keineswegs gramgebeugt. „Es war gut, dass wir mal richtig Kante gezeigt haben“, sagt der Delegierte Detlef Parr. Die Kante: Das ist das selbstbewusste Auftreten, das Parteichef Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing zuletzt gezeigt hatten. Ein rasches Verbrenner-Aus? Eine Absage an synthetische Kraftstoffe, die so genannten E-Fuels? Nicht mit uns! – lautete die Antwort der FDP-Oberen, die damit offenbar punkten konnten.

Ist die Partei nun also raus aus der Todeszone? Wenn einer das beurteilen kann, dann wohl der frühere Parteichef Rainer Brüderle. Er hat Erfahrung mit der Schlappe: Er war Spitzenkandidat, als die FDP bei der Bundestagswahl 2013 aus dem Parlament flog. Knapp zehn Jahr danach fällt seine Beurteilung der momentanen politischen Lage eindeutig positiv aus: „Unsere Existenz ist überhaupt nicht in Gefahr. Wenn wir FDP pur machen, regen sich viele auf – aber viele wissen das eben auch zu schätzen.“ Tatsächlich sind die Umfragewerte für die Bundespartei mit aktuell etwa sieben Prozent stabil.

Ob das die Chancen für die Landtagswahlen erhöht, ist jedoch offen. Damit bei der Europawahl 2024 nichts schief geht, hat der Bundesvorstand schon jetzt eine Entscheidung getroffen, und als Parteichef Christian Lindner sie offiziell mitteilt, jubeln die Delegierten: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die streitbare und bundesweit bekannte Verteidigungspolitikerin der Liberalen, wird Spitzenkandidatin der Partei. Im Gespräch kommentiert sie ihre Nominierung so: „Ich habe Sprüche gehört, dass die Arme jetzt woanders hin muss. Was für ein Quatsch!“, sagt sie schmunzelnd und fügt an: „Ohne Europa ist alles nichts. Da will ich hin und Europa stark machen.“

Das Korrektiv der Ampelkoalition

Jubel brandet auch an anderer Stelle auf, als Lindner den von den Grünen heftig kritisierten Verkehrsminister Volker Wissing lobt. Der habe mit dem Deutschlandticket endlich dem Nahverkehr einen digitalen Schub gegeben: „Volker Wissing macht konkret mehr für den Klimaschutz als die Forderungen der ‚Letzten Generation’ und der Klimakleber.“ Ansonsten gibt sich der Parteichef auffallend zahm und staatsmännisch. Er liefert einen braven Rechenschaftsbericht ab, der Klassiker der FDP aufwärmt: Erwirtschaften komme vor Verteilen, Erfinden sei besser als Verbieten, Freiheit sei die Richtschnur aller Entscheidungen. Kritik übt Lindner nur vereinzelt an der CDU/CSU. Die liebäugele mit einem Spitzensteuersatz von 57 Prozent. „Es ist aber ungerecht, wenn jemand mehr abgeben soll, als ihm selbst bleibt“, meint Lindner und bekommt dafür tosenden Applaus.

Über die Koalitionspartner SPD und Grüne verliert der FDP-Chef kein einziges schlechtes Wort. Ja, es sei oft mühselig, in der Ampel zu Beschlüssen zu kommen. Aber es sei richtig, wenn die FDP als Korrektiv für Marktwirtschaft und einen soliden Haushalt kämpfe. Dazu zählt für ihn auch ein Vorhaben, das sich im Koalitionsvertrag der Ampel nicht findet – das er aber trotzdem erreichen will. Die Kapitalrücklage zur Stabilisierung des Rentensystems soll nicht nur einmalig, sondern über Jahre hinweg jährlich 10 Milliarden Euro bekommen.

Am späten Nachmittag dann stellt sich der Parteichef der Wiederwahl: 88 Prozent der Delegierten wählen ihn für zwei weitere Jahre zum Vorsitzenden. Das ist ein solides Ergebnis und Basis genug, um in der Ampel weiter für „FDP pur“ eintreten zu können.