Psychische Erkrankungen gehören unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Land zu den häufigsten Gründen für Fehltage. Die Krankenkassen machen dafür unter anderem den steigenden Druck verantwortlich.

Stuttgart - Beschäftigte im Land leiden zunehmend unter psychischen Belastungen. Die Zahl der Krankheitstage wegen Störungen der Psyche und des Verhaltens lag 2018 laut den Kassen AOK, TK und Barmer um bis zu drei Prozent höher als im Vorjahr.

 

Neben Atemwegserkrankungen und solchen am Muskel- und Skelettsystem sind psychische Erkrankungen inzwischen der zweit- oder dritthäufigste Grund für Fehltage von Erwerbstätigen im Land. So hatten psychische und Verhaltensstörungen bei AOK-Versicherten 2018 einen Anteil von 11,4 Prozent an der Gesamtheit der Arbeitsunfähigkeitstage. Bei TK und Barmer lag er mit 17,5 und 19 Prozent höher. Die DAK meldet nach einem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr einen Anteil von 16,3 Prozent.

Die Zahl der Krankheitstage aufgrund von psychischen Erkrankungen steigt seit Jahren – laut jüngsten Erhebungen des wissenschaftlichen Instituts der AOK um rund 80 Prozent seit 2005. Demnach berichten rund 40 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bundesweit über jobbedingte psychische Beschwerden. Die Kassen sehen den Grund zum einen in einer stärkeren gesellschaftlichen Sensibilisierung sowie in einer besseren Diagnostik. Zum anderen hätten Veränderungen in der Arbeitswelt einen Anteil daran – das bestätigt auch die Arbeitgeber Baden-Württemberg: Multitasking, ständige Erreichbarkeit, häufige Unterbrechungen und Leistungsdruck seien zunehmend komplexe Belastungen in einer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft – und könnten auf die Dauer zu psychischen Erkrankungen führen.

Krankengeld-Zahlungen aufgrund von

Kassen fordern daher ebenso wie Politik und Arbeitnehmerverbände seit Jahren einen besseren betrieblichen Schutz und stärkere Prävention. Denn die Fehltage haben ihre Kosten: Schon jetzt steigen durch die Zunahme die Ausgaben der Krankenkassen in der Versorgung. „Krankengeld-Zahlungen aufgrund von psychischen Störungen nehmen heute bundesweit den nach Muskel- und Skeletterkrankungen den zweiten Platz ein“, sagt etwa der Sprecher der DAK in Baden-Württemberg. Statistiker der Auch vom Wirtschaftsministerium heißt es: Eine Stärkung des Arbeitsschutzes sei zentral für die Gewinnung von Fachkräften – und würde sich finanziell auch für Unternehmen lohnen.

Doch vor allem kleinere Unternehmen halten sich bislang kaum an die gesetzlich vorgeschriebene Beurteilung und Verringerung psychischer Belastungen. Das Thema „psychische Belastungen“ generell und „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen“ im Besonderen sei in vielen Betrieben noch nicht ausreichend angekommen, heißt es vom Stuttgarter Regierungspräsidium, das für die Gewerbeaufsicht in der Region zuständig ist. „So werden die Problematik und ihre Ursachen häufig noch immer individuellen Lebensbedingungen der Beschäftigten zugeschrieben.“ Arbeitsunterbrechungen etwa würden häufig nicht als ernsthafte Gefahr gesehen – könnten aber langfristig für ernsthafte Beschwerden sorgen. Zwar haben Kassen, Arbeitsgeber- und Arbeitnehmerverbände und Politik sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um gesundheitliche Maßnahmen in den Betrieben des Landes weiter zu fördern. „Zu vielen Fragen psychischer Belastung gibt es noch keine einheitliche Terminologie oder Vorgehensweise“, so die Sprecherin des Regierungspräsidiums.